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Grim - Das Siegel des Feuers

Grim - Das Siegel des Feuers

Titel: Grim - Das Siegel des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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Grim fühlte, wie das vermaledeite Kreuz hinter ihm zitterte. Im selben Moment verstummte jedes Gespräch. Wie erstarrt hielten die Feiernden inne, und selbst die Gefangenen gaben keinen Ton mehr von sich. Nur ein Mann, dem soeben der rechte Arm mit einer Axt abgetrennt worden war, wimmerte leise. Sofort holte sein Peiniger aus und spaltete ihm den Schädel. Das leise Klatschen des Gehirns auf den Steinen war das einzige Geräusch, das darauf folgte. Dann hoben die Feiernden wie ein Mann die Köpfe. Grim folgte ihren Blicken — und sog die Luft ein.
    Eine Frau in einem langen schwarzen Kleid schwebte aus der Kuppel nieder. Grim erkannte das bleiche Gesicht und die schwarzen, schönen Augen in der Dämmerung. Ihr Haar umwehte sie wie ein Meer aus Seide. Sie sah ihn nicht an, als sie vor dem Altar landete. Sofort neigten die Gäste die Köpfe, und die Frau mit den Eisaugen senkte ebenso wie sämtliche Wächter den Blick.
    »Königin Ontorya«, rief der Mann am Gong mit dröhnender Stimme. »Herrscherin der Druden — und der ganzen Welt!«
    Ohrenbetäubender Jubel brach aus. Grim starrte in die ekstatischen Gesichter der Gäste und sah die bedingungslose Treue in den Augen der Wächter. Ontorya lächelte ein wenig, aber diese Geste konnte ihrem Gesicht keine Wärme geben. Sie sah aus wie eine Figur aus Schatten, Schnee und Eis. Majestätisch ließ sie sich auf einem Thron nieder, der eilfertig für sie herbeigeschleppt worden war. Sie saß schräg neben dem Altar und schaute gelassen auf ihre Gäste hinab.
    »Willkommen«, sagte sie. Obwohl sie ihre Stimme nicht erhoben hatte, drangen ihre Worte deutlich an jedes Ohr. »Wie immer bin ich hocherfreut, dass ihr euch eingefunden habt: die einen, um zu fressen, die anderen, um gefressen zu werden.« Leises Gelächter erklang. Ontorya hob die Hand und deutete auf Mia und Grim. »Besonders glücklich schätze ich mich, dass wir heute Ehrengäste haben — darunter einen besonderen Leckerbissen: eine Menschin aus der Anderwelt!« Das letzte Wort wurde von den Anwesenden leise wiederholt, bis es als konstantes Summen im Hintergrund schwebte, während Ontorya weitersprach. »Vielleicht ist der Steinerne noch zu irgendetwas nütze, wenn wir ihm den Kopf abgeschlagen haben — er könnte als Kleiderständer dienen. Und der Kleine dort ...« Sie wies auf den Gürtel der Eisaugenfrau. »Wenn er nach der Blutentnahme erst steif geworden ist, werde ich ihn mit Tinte befüllen. Vielleicht ist er ein besseres Schreibgerät als die Elfe.«
    Grim sah Remis an und stellte zu seiner Erleichterung fest, dass der Kobold kein Wort mitbekommen hatte. Da erhob sich Ontorya und ging lautlos auf Grim zu. Ihre Haut war makellos wie feinster Marmor. Sie strich ihm über die Wange, und er konnte ihren Atem fühlen, als sie sprach.
    »Ihr aus der Anderwelt«, flüsterte sie. »Ihr wisst gar nicht, wie das ist ... die Ewigkeit in dieser Finsternis.«
    Grim sah sie regungslos an. »Mir genügt ein Blick in Eure Augen, und ich weiß, was das bedeutet: Leere und Verderben.«
    Offensichtlich hatte sie sich eine andere Reaktion erhofft, denn ein Anflug von Ärger zog über ihr Gesicht. Für einen Moment glaubte Grim, sie wollte ihn schlagen. Doch dann entschied sie sich offenbar anders. Sie gab der Eisaugenfrau ein Zeichen, die daraufhin etwas aus ihrer Tasche zog und neben Mia trat. Es war ein Dolch. Mia atmete schnell, sie wollte sich befreien, aber die Fesseln ließen ihr kaum die Möglichkeit, sich zu bewegen.
    »Ich warne dich!«, brüllte Grim, doch er wusste, dass es aussichtslos war. Die Drudenkönigin lachte ein helles Lachen, während die Eisaugenfrau mit dem Dolch über Mias Wange strich. Dann griff sie nach ihrer Hand, schob in einer schnellen Bewegung den Ärmel zurück und fuhr mit dem Dolch über Mias Haut. Ein feiner roter Strich lief über ihren Arm.
    »Bestien!«, rief Grim und riss an seinen Fesseln, doch niemand beachtete ihn. Entsetzt sah er, wie die Eisaugenfrau den blutbesudelten Dolch der Königin reichte. Ontorya führte ihn unter die Nase und schnüffelte, als würde sie einen Wein verkosten. Dann öffnete sie den Mund. Eine lange grüne Zunge schnellte hervor, schlängelte sich einmal um den Dolch und leckte das Blut ab. Die Königin seufzte wohlig und nickte.
    »Ein edler Tropfen«, sagte sie zu ihren Gästen. »Lasst ihn euch schmecken!«
    Die Gespräche setzten wieder ein, während zwei Wächter auf Mia zutraten. Sie packten sie an Armen und Beinen, und die Eisaugenfrau

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