Grim - Das Siegel des Feuers
seine Haut und fiel zu Boden. Im gleichen Moment rasten die Splitter von den Stirnen der Druden und verschmolzen mit den Kugeln seines Stabes. Erleichtertes Seufzen drang durch die Kirche, als die Gäste auf ihren Stühlen zusammensanken und die Wächter sich über die Gesichter fuhren.
Ehe Grim wusste, wie ihm geschah, wurde er gepackt. Die Fesseln um seinen Körper lösten sich. In großer Eile wurde auch Mia losgebunden, und der bewusstlose Remis landete in Grims Klaue. Jemand stieß Grim in den Rücken, um ihn zum Ausgang zu bewegen, aber er rührte sich nicht. Er sah Pedro an, der seinen Blick erwiderte, während er zum Altar geführt wurde. Keiner der Wächter berührte Pedro. Fast ehrfürchtig sahen sie zu, wie er seinen Mantel auszog und zu Boden fallen ließ. Dann legte er sich auf den Altar, zog sein Messer und hielt es der Königin entgegen.
Wieder wurde Grim vorwärtsgestoßen, dieses Mal so heftig, dass er sich in Bewegung setzte. Er fühlte sein Herz in der Brust. Seine Narbe über dem Auge brannte wie Feuer. Er hörte die eiskalte Stimme der Königin hinter sich und die Worte, die Pedro mit unglaublicher Ruhe erwiderte, als er gefesselt wurde. Dann das kalte Geräusch von Metall, das die Luft zerschnitt — und im nächsten Moment der Geruch von menschlichem Blut.
Später wusste Grim nicht mehr, was ihn dazu bewogen hatte, so zu handeln, wie er es dann tat. Mit einem Brüllen fuhr er herum, schlug dem Wächter, der ihn zum Ausgang trieb, ins Gesicht, und raste auf den Altar zu. Ontorya wirbelte herum, das Messer glitzerte in ihrer Hand, aber Grim war schneller. Mit der rechten Faust traf er Ontorya in den Magen. Sie flog quer durchs Kirchenschiff und landete krachend in einem der Käfige. Kreischende Gefangene stürzten ins Freie. Grim wehrte zwei der Wächter ab, darunter die Eisaugenfrau, indem er sie im Nacken packte und ihre Köpfe zusammenstieß. Dann schlug er mit voller Wucht auf den Altar, der unter Pedro splitterte und die Fesseln lockerte. Sofort kam Pedro auf die Beine. Grim packte ihn und riss Mia mit sich, die wie erstarrt zu ihm aufsah. Sie rasten über die Tafel auf den Ausgang zu. Schwarze Pfeile folgten ihnen, aber sie streiften nur zweimal Grims Arm. Im nächsten Moment schlug ihnen die Kühle der Nacht entgegen. Grim packte Pedro und Mia fester und erhob sich umgehend in die Luft.
Erst als sie im Schutz der Dunkelheit in einer winzigen Gasse landeten und er sich schwer atmend gegen die Wand eines Hauses lehnte, wurde ihm klar, was er getan hatte. Er hatte Pedro von Barkabant vor dem Tod bewahrt — den Blutkönig der Menschen.
Kapitel 48
rim sagte kein Wort, als sie durch die Straßen schlichen. Mia konnte es ihm nicht verdenken. Sie waren gerade dem Tod von der Schippe gesprungen — und das nur mit Hilfe des einstigen Erzfeindes der Gargoyles. Pedro von Barkabant folgte ihnen, doch auch er war schweigsam und wie in Gedanken versunken. Grim hatte ihm das Leben gerettet, aber offensichtlich war weder der eine noch der andere sonderlich glücklich damit. Mia seufzte. Sie hatte jetzt Wichtigeres zu tun, als sich über männliche Befindlichkeiten Gedanken zu machen. Remis saß auf ihrer Schulter und schaute aufmerksam auf die Karte, die sie vor sich hielt. Er war heilfroh gewesen, von dem blutigen Intermezzo bei den Druden nicht das Geringste mitbekommen zu haben. Aber jetzt betrachtete er die Karte, als würde er die goldenen Linien darauf erkennen und genau wissen, dass sie sie ins Verderben führen würden. Kaum hatte sie das gedacht, tauchte das Pantheon vor ihnen auf.
Mia hielt inne. Das Licht des Himmels überzog das Gebäude mit blutigem Rot, aber selbst bei Tageslicht hätte die gewaltige Kuppel mit dem vorgelagerten Pronaos und seinen korinthischen Säulen aus grauem Granit beeindruckend gewirkt.
»Wusstest du, dass bis heute niemand weiß, wer das Pantheon erbaut hat?«, fragte sie, als Grim neben ihr stehen blieb.
Er sah sie mit einem Anflug von Belustigung an. »Es besteht zum größten Teil aus Beton«, erwiderte er. »Was denkst du, wer den Römern diesen Baustoff näher gebracht hat? Es waren Gargoyles. Ohnehin konnten viele Gebäude dieser Stadt nur mit ihrer Hilfe errichtet werden. Früher, als es noch eine Verbindung gab zwischen Ober- und Unterwelt, wurden hier im Pantheon Feierlichkeiten abgehalten, Feste der Anderwelt oder zu Ehren der Götter der Menschen, aber auch Todesfeiern oder Hochzeiten. Es war ein Ort, wo sich unsere Völker begegnet sind — ein
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