Grim - Das Siegel des Feuers
Ort der Gemeinsamkeit und Freundschaft.«
Die Luft wurde kühler, als sie zwischen den Säulen hindurchgingen. Eine gewaltige bronzene Tür versperrte den Eingang. Mia legte ihre Hand dagegen. Kaum hatte sie das getan, flammten auf der Karte drei Worte auf.
»Finstra erom unis«, sagte sie. Ein Stöhnen ging durch die Tür, es klang, als würde sich ein uralter Baum im Wind bewegen. Dann öffnete sie sich einen Spaltbreit. Mia spürte ihr Herz in der Brust. Jetzt war es nur noch ein Schritt, und sie würden das Zepter der Menschen in der Hand halten — die Waffe, mit der sie Seraphin aufhalten konnten — und das einzige Artefakt, mit dessen Hilfe es möglich war, die Welt auf einen Schlag zu verändern. Entschlossen schob sie die Tür auf und trat ein.
Sofort entfachten sich Kerzen auf goldenen Ständern. Es klang, als würde ein feuerspeiender Drache Atem holen. Ein blutroter Lichtstrahl fiel durch das Opaion und erhellte die riesige Kuppel mit den Kassettenfächern. Der Boden wie die Wände waren reich mit farbigem Marmor verziert. Es herrschte absolute Stille. Mia spürte, wie die Karte in ihrer Hand warm wurde.
Die Worte flackerten darüber hin wie lautloses Gemurmel, und durch die goldenen Linien flammte deutlich ein einzelnes Wort in schwarzem Feuer auf.
»Haphrator«, flüsterte Mia.
Ein Flüstern ging durch die Karte wie das Murmeln unzähliger Stimmen. Die Worte leuchteten heller. Sie traten aus dem Pergament heraus, standen für einen Moment reglos in der Luft und begannen dann, Mia zu umkreisen, bis sie nichts mehr sah als eine Säule aus goldenem Licht. Sie spürte, wie die Zeichen über ihre Haut glitten, sie flüsterten mit ihr und raunten ihr etwas zu.
»Hen«, sagte sie, als sie das Wort verstanden hatte. Sofort schossen die Buchstaben durch den Raum, löschten die Kerzen, erhellten für einen Moment die marmornen Wände und schossen hinauf zum Opaion. Mit einem Zischen stoben sie durch die Öffnung. Mia hielt den Atem an. Der rote Lichtschein war verschwunden. Sie standen im Dunkeln. Sie hörte Grim, der neben ihr die Luft einsog, und fühlte Remis' Haare an ihrer Wange. Nur Pedro gab keinen Ton von sich. Da kehrte das Zischen der Buchstaben zurück, goldenes Licht fiel durch die Öffnung der Kuppel — und im nächsten Augenblick schoss ein gewaltiger Blitz ins Pantheon und traf mit lautem Donnern den Boden. Für einen Moment tanzten goldene Flämmchen vor Mias Blick, als der Blitz erlosch. Sie zwinkerte und sah, dass über dem schwarzen Fleck, den der Blitz auf dem Marmor hinterlassen hatte, drei goldene Kreise schwebten — wie Rauchringe aus dem Mund eines Riesen. Ansonsten lag der Raum in Dunkelheit. Zögernd trat Mia auf die Ringe zu. Die Luft in ihrem Inneren zitterte leicht.
Sie sah sich zu Grim um, der ihr gefolgt war. »Sieht nicht so aus, als würden diese Dinger das Zepter ausspucken«, stellte er fest. »Was sagt die Karte?«
Mia warf einen Blick darauf, doch die Zeichen waren verschwunden. Da stieß Pedro ein heiseres Lachen aus. »Narren«, murmelte er und trat zu den Ringen. Seine Finger glitten durch das goldene Licht. Kaum hatten sie sie berührt, blieb schwarzer Ruß an ihnen hängen. »Ihr habt keine Ahnung, wo ihr euch hier befindet, nicht wahr?«
Er sah sie an, und Mia erkannte das schelmische Flackern in seinen Augen. Grim hingegen stieß ärgerlich die Luft aus. »Wie wäre es, wenn du uns einweihst, Monsieur Oberschlau?«
Pedro warf ihm einen Blick zu. »Das Pantheon ist ein Ort der Freundschaft — so weit stimmt deine Analyse von vorhin. Aber die Gargoyles und die Menschen haben es damals nicht umsonst an diesem Ort gebaut. Denn es diente noch einem anderen Zweck — und zwar der Reise durch die Zeit.«
»Natürlich«, erwiderte Grim spöttisch. »Gehörst du etwa auch zu denen, die an diese Märchen glauben? Es ist unmöglich, durch die Zeit zu reisen. Niemandem ist das bisher gelungen — nicht einmal den Alchemisten von Prag, und das will was heißen!«
Pedro achtete nicht auf ihn. Er ging in die Knie und strich mit beiden Händen über den Boden dicht neben den goldenen Ringen. Für einen Moment zog er die Brauen zusammen, dann entspannte sich sein Gesicht. »Fühlt es selbst«, sagte er nur.
Mia ließ sich neben ihm nieder und legte die Hand auf den Marmor. Sie fühlte ein dumpfes Pochen, fast wie ... Erschrocken wich sie zurück.
»Ein Herzschlag«, flüsterte sie.
Sofort legte auch Grim seine Klauen auf den Boden, und selbst Remis wagte ein
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