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Grim - Das Siegel des Feuers

Grim - Das Siegel des Feuers

Titel: Grim - Das Siegel des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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vorsichtiges Betasten.
    Pedro nickte triumphierend. »Welche Worte hast du gesprochen, als du eingetreten bist?«, fragte er Mia, doch er wartete eine Antwort nicht ab. »Haphrator Hen — der Fluss der Zeit. Manche sagen, gewisse Götter haben ihn im Morgengrauen der Ersten Tage wie eine Fessel um ihre Welten gelegt, andere behaupten, er stecke in jedem Geschöpf selbst. Vielleicht ist beides wahr. Fest steht, dass er existiert. Wir spüren es selbst: Die Zeit rinnt uns durch die Finger, sie kommt uns manchmal ewig lang vor und manchmal viel zu kurz. Sie ist ein Wunder und ein Mysterium, das wir nie ganz begreifen werden. Niemand kann die Zeit anhalten — es sei denn, er gelänge in ein Außerhalb, in dem andere Gesetze gelten. So ist es auch im Haphrator Hen. Er fließt, aber in seinem Kern verharrt er bewegungslos. Manchmal gelangen wir an diesen Ort von allein — meistens in unseren Träumen. Dort gibt es keine Zeit. Aber es gibt auch einen anderen Weg. An gewissen Orten — dort, wo die Haut zwischen unserer Welt und dem Außerhalb dünn ist — können wir für kurze Momente hinüberwechseln. Jetzt stehen wir am Ufer des Haphrator Hen. Wenn wir uns hineinstürzen, werden wir mit der Zeit schwimmen — und sie mit uns.«
    Mia holte tief Atem. »Das, was wir suchen, liegt am anderen Ende der Zeit«, sagte sie leise. Die goldenen Ringe tanzten vor ihren Augen. Sie wandte sich zu Grim um und ergriff seine Klaue.
    Für einen Moment zuckte er zurück, dann lächelte er. »Dann wird es Zeit, dass wir es uns holen.«
    Remis schluckte hörbar, und Mia spürte ihr Blut in den Adern, als sie einen Schritt in das Licht taten. Im nächsten Moment wurde sie durch die Luft gerissen. Goldene Wirbel tanzten um sie herum, sie zogen an ihren Haaren und drangen ihr wie Wasser in die Lunge. Sie rang nach Atem, aber nichts als goldene Schleier flossen in ihren Mund. Die Karte in ihrer Hand wurde heiß, wieder hörte sie die Stimmen, die wie wahnsinnig durcheinanderriefen. Dann wurde es schwarz um sie herum. Die Wirbel verschwanden. Mia fiel aus großer Höhe. Sie vernahm Flügelrauschen neben sich. Grim fing sie auf, sie hörte seine Klauen auf Stein, als sie landeten. Remis erhellte vage die Umrisse der Kuppel des Pantheons.
    »Großartig«, murmelte Grim. »Hat der Alte uns also allein gehen lassen.«
    Mia sah sich um. In der Tat war Pedro nirgends zu sehen. Sie schaute auf die Karte, auf der langsam die Konturen von Häuserzeilen auftauchten. Eine schmale goldene Linie wies ihnen den Weg. Sie warf Grim einen Blick zu. »Lasst uns gehen.«
    Schweigend verließen sie das Pantheon. Sie waren in die Vergangenheit der Stadt gereist, das stand außer Zweifel. Und wie hatte Rom sich verändert! Fasziniert ließ Mia den Blick über die Gässchen schweifen, die das Pantheon umgaben, und nahm gleichzeitig denselben Geruch wahr, der auch die moderne Metropole durchzog: diesen Duft von Altertum, Stolz und Leidenschaft, das Feuer der Ewigen Stadt, das nie erlöschen würde.
    Sie waren kaum wenige Schritte gegangen, als Grim Mia in eine Häusernische zog. Sein Gesicht war angespannt, er deutete die Straße hinab.
    Zwei Männer kamen ihnen entgegen. Sie trugen eng anliegende Hosen, die Mia verteufelt an Strumpfhosen erinnerten, und kurze, in Falten gelegte Schecken, die kaum über die Lenden reichten. Der Bereich der Schultern war wattiert, und die Männer trugen Schnabelschuhe von gewaltigen Ausmaßen. Mia wartete, bis sie außer Sicht waren, dann atmete sie aus.
    »Also, entweder ist gerade eine merkwürdige Form von Karneval im Gang«, sagte sie mit einem Lächeln, »oder wir sind tatsächlich in der Vergangenheit gelandet.«
    Sie setzten ihren Weg fort. Immer wieder mussten sie sich vor Menschen in Acht nehmen, doch ihnen begegnete kein einziger Gargoyle. Auch andere Geschöpfe schienen aus den Straßen verschwunden zu sein.
    »Der Zauber des Vergessens«, sagte Grim. »Er wirkt bereits.«
    Mia nickte nachdenklich. Sie mussten in der Zeit kurz nach dem Sprechen des Zaubers gelandet sein. Gerade beobachtete sie eine Frau in langem Gewand, die aus einem der Hauseingänge trat. Ihr Kleid hatte eine hoch angesetzte Taille und war mit goldenem Brokat besetzt. Ihr aufgestecktes Haar verbarg sich zum Teil unter einer Doppelhörnerhaube, von der lange Schleier herabfielen. Da sog Grim die Luft ein. Er witterte. Beunruhigt zog Mia die Schultern an. »Was ist los?«
    Auch Remis schaute ängstlich von links nach rechts, schien aber nichts entdecken

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