Grim - Das Siegel des Feuers
sich über die Augen und stellte fest, dass Tränen an seinen Fingern haften blieben. Auf einmal war er sehr müde. Langsam wandte er sich ab und ging über den Strand auf die Burg zu. Er hatte sie noch nicht erreicht, da spürte er schon, wie die Kälte auf ihn zukroch. Sie kam aus der Burg, die er betreten musste, um diesen Ort verlassen zu können. Hel hatte den Frost geschickt, um ihn willkommen zu heißen.
Kapitel 54
ia saß an einer reich gedeckten Tafel, auf der sich silberne Platten mit unzähligen Köstlichkeiten türmten. Gläserne Karaffen gab es mit tiefrotem Wein und Blumen in kunstvoll gebundenen Sträußen. Vor ihr stand ein Teller mit duftenden Speisen, aber sie rührte ihn nicht an. Sie musste an Grim denken, unaufhörlich dachte sie an ihn. Seraphin hatte einen ganzen Trupp Magier losgeschickt, um ihn zu finden, doch bislang gab es keine Nachrichten von ihm. Mia stieß lautlos die Luft aus. Sie wusste ja noch nicht einmal, ob Seraphin ihn wirklich suchen ließ oder ob das alles zu einem wirren und perfiden Spiel gehörte, das sie nicht durchschaute. Aber sie wusste, aus welchem Grund sie hier war. Seraphin hatte sie um ein Abendessen gebeten — vermutlich wollte er wissen, ob sich ihre Meinung ihm gegenüber geändert hatte. Sie hatte erwartet, dass er sie ausfragen und bedrängen würde, aber er tat nichts dergleichen. Offenbar gab er ihr alle Zeit der Welt, sich selbst ein Urteil zu bilden, und wollte ihr mit diesem Essen die Gelegenheit geben, weitere Fragen zu stellen. Sie holte tief Atem. Sie hatte nur noch eine einzige Frage.
»Ich habe das Hospital gesehen«, sagte sie. Er hob den Blick und sah sie aufmerksam an. »Ich habe mit Hybriden gesprochen, die dir folgen. Sie vertrauen dir bedingungslos. Keines von deinen Worten widerspricht dem, was du tust oder getan hast. Ich habe keinen Grund mehr, dir nicht zu glauben. Und dennoch gibt es einen Unsicherheitsfaktor in dem ganzen schönen Bild.« Sie hielt inne und wartete, bis er fragend die Brauen hob. »Dich«, sagte sie dann.
Er lächelte ein wenig. »Du kennst meine Pläne«, erwiderte er.
»Ja. Aber dich — dich kenne ich nicht. Warum tust du das alles?« Sie sah den Schatten, der sich auf sein Gesicht legte, und wusste, dass sie ins Schwarze getroffen hatte. Wenn er sie belog, würde sie es jetzt herausfinden. Sie sah das Muskelspiel an seinen Schläfen und hörte, wie er die Luft einsog. Dann entspannte sich sein Gesicht ein wenig.
»Du fragst nach meiner Geschichte«, stellte er fest, aber es klang wie eine Frage.
Mia nickte. »Wie soll ich dir glauben, wenn ich gar nicht weiß, wer du bist? Gut möglich, dass du eine perfekt inszenierte Show arrangiert hast — darauf werde ich nicht hereinfallen.« Sie lehnte sich zurück. »Nein. Wenn du mich auf deiner Seite haben willst, musst du ehrlich sein — in allem.«
Er sah sie an, für einen Moment lächelte er. Dann senkte er den Blick. Seine Hände ruhten rechts und links neben seinem Teller, aber Mia spürte die Anspannung, unter der er stand. Offensichtlich fiel ihm das, woran er jetzt dachte, nicht leicht. »Ich wurde geschaffen von Pedro von Barkabant«, begann er leise.
Mia riss die Augen auf »Dem Menschenkönig?«, fragte sie ungläubig. »Aber du bist ein Hybrid. Wie ...«
Seraphin hob die Hand. »Er schuf mich nicht auf natürlichem Weg. Er gab mir das Herz seines sterbenden Sohnes, um eine Kriegsmaschine im Kampf gegen die Gargoyles aus mir zu machen. Aber er fürchtete gleichzeitig, dass ich mich gegen ihn wenden könnte. Daher hat er mir bei meiner Erschaffung mein wahres Wesen verschwiegen.«
Mia sah ihn an. Sie dachte an Pedro, an seine traurigen, verzweifelten Augen, und zum ersten Mal fiel ihr der gleiche Ausdruck auch in Seraphins Blick auf. Wieso hatte sie das vorher nicht bemerkt?
»Ich hatte kein Interesse an Pedros Krieg«, fuhr Seraphin fort. »Eines Tages drohte er, meine Geliebte zu töten, würde ich ihm nicht in den Krieg folgen. Sie war eine Sklavin, eine Hybridin, und wir flohen in einer nebligen Nacht. Sie gab sich als Mensch aus, wir heirateten und wohnten in einem einsamen Bauernhaus am Waldrand. Ja, diese Hände haben Feldarbeit verrichtet — kannst du dir das vorstellen?«
Mia nickte langsam. »Ja«, sagte sie, »ich kann mir einen Pflug in deinen Händen vorstellen — viel eher als ein Schwert.«
Er sah sie mit einem seltsamen Ausdruck in den Augen an. Dann fuhr er fort: »Wir waren glücklich — bis das Schicksal uns fand. Pedro hatte
Weitere Kostenlose Bücher