Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grim - Das Siegel des Feuers

Grim - Das Siegel des Feuers

Titel: Grim - Das Siegel des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
Vom Netzwerk:
Du musst sicher sein, dass ich dich nicht enttäusche. Jetzt habe ich dir meine Geschichte erzählt. Glaubst du mir?«
    Mia schwieg nachdenklich. Seine Worte hallten in ihr wider, und sie fühlte den Schmerz, von dem er gesprochen hatte, als wäre es ihr eigener. Und war er es nicht? Waren sie wirklich so verschieden? Auch sie hatte geliebte Menschen verloren, und das nur aus einem einzigen Grund: weil der Zauber des Vergessens bestand. Ohne ihn wäre Jakob niemals in diese Lage gekommen, und auch ihr Vater hätte sich nicht das Leben genommen. Mia wusste, dass weder Hybriden noch Hartide in einer Welt, wie sie jetzt war, jemals einen Platz finden würden. Sie sah Seraphin an, schaute in seine dunklen Augen und wusste, dass sie ihre Wahl getroffen hatte.
    »Ja«, sagte sie leise. »Ich glaube dir.«

Kapitel 55

    aum fühlte Grim das flackernde Licht auf seinem Gesicht, sah er, dass die Burg keineswegs aus Stein war. Sie bestand aus unzähligen Leibern, schwarz verkohlt allesamt, doch keineswegs leblos. Übelkeit stieg in Grim auf. Er sah Menschen, Zentauren, Harpyien und etliche andere, sie waren ineinander verschlungen, hatten Klauen und Hände in des anderen Fleisch geschlagen, die Münder zu irrem Lachen verzerrt. Weiße Augen hatten sie, sie sahen aus wie erblindet, und doch starrten sie ihm entgegen, als er die letzten Schritte zum Portal zurücklegte. Ein Summen hing in der Luft, ein Gesang aus stummen Mäulern, wie Wind über vergessenen Gräbern.
    Schaudernd schritt Grim durch das Portal und fand sich in einem rot flackernden Saal wieder. Erst auf den zweiten Blick stellte er fest, dass es auch hier kein Stein war, aus dem die Wände bestanden, sondern Fleisch. Adern und Sehnen durchliefen den Raum, der sich wie ein Muskel zusammenzog und entspannte, und als Grim auf die einzige Tür zuschritt, die er sehen konnte, sackte er knietief in blutigem Schleim ein. Angewidert stolperte er vor und sah erst auf den zweiten Blick die Schlangenleiber, die sich durch das Fleisch der Burg wanden.
    Ein Klagen durchzog die Luft, lang anhaltend wie das Heulen eines Wolfes. Grim verharrte, wo er stand. Es war Fenris, der da heulte, während sich die magische Fessel Gleipnir enger um seinen Leib wand und er auf seine Befreiung wartete. Grim spürte, wie ihm jeder Ton dieses Wolfsgesangs ein Messer ins Herz trieb. Und gleichzeitig meinte er, noch nie etwas Schöneres als diese Klänge gehört zu haben, noch nie eine Melodie von solcher Kraft und Traurigkeit. Da streifte etwas Weiches sein Bein, und der Gesang brach ab. Erstaunt sah er an sich hinab. Vor ihm auf dem Boden saß eine Katze. Sie war pechschwarz mit leuchtenden gelben Augen und schaute ihn an, als würde sie jeden Augenblick anfangen zu sprechen. Doch stattdessen wandte sie sich um und lief vor ihm davon. Kaum hatte sie einige Schritte getan, zog Nebel auf, so undurchdringlich, dass Grim bald nichts mehr sah als die Katze, die geduldig auf ihn wartete. Er folgte ihr. Nach Ewigkeiten, so schien es ihm, erreichten sie ein Fenster. Es stand mitten im Nebel, ohne Haus, ohne Wände, und gleißendes Licht brach durch das dünne Glas.
    Die Katze hob den Kopf, sie sah Grim an. Dann sprang sie durch das Fenster. Klirrend rieselten die Scherben zu Boden. Im nächsten Moment hörte Grim ein Fauchen, so schrill, dass er zusammenfuhr. Ohne nachzudenken, stürzte er sich ins Licht. Weißer Marmorboden raste auf ihn zu, er landete auf dem Gesicht und schlitterte ein ganzes Stück weit in einen riesigen, hellen Saal hinein. Stöhnend kam er auf die Füße, und noch ehe er sie sah, wusste er, dass er die Königin gefunden hatte.
    Sie saß auf einem Thron aus Perlmutt, eine große, helle Gestalt. Auf den ersten Blick glaubte Grim, einen Menschen vor sich zu haben, eine Frau, über die Maßen schön, mit mandelförmigen, schräg stehenden Augen und weißen Schultern, auf die ihr langes Haar hinabfiel. Die eine Hälfte ihres Gesichts war makellos, die andere jedoch wurde von blauen und schwarzen Adern durchzogen und trug die Haut einer Toten. Und Grim wurde in diesem Moment klar, dass sie genau das war: tot — und lebendig. Ein Zwischenwesen wie er selbst. Sie war gekleidet in ein blaues Kleid, über und über mit winzigen Kristallen besetzt. Es war, als trüge sie die Nacht am Körper.
    Aufmerksam schaute sie zu Grim herüber, mit einem Ausdruck auf dem Gesicht, der alles bedeuten konnte. Gerade wollte er sich verneigen, als das Bild vor ihm verschwamm und das Menschliche zu etwas

Weitere Kostenlose Bücher