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Grim - Das Siegel des Feuers

Grim - Das Siegel des Feuers

Titel: Grim - Das Siegel des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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nicht allein tun. Es ist zu bedeutend für einen allein. Eigentlich ist es sogar zu bedeutend für zwei.« Er hielt inne, dann schüttelte er den Kopf »Bald kann ich dir mehr darüber erzählen, aber zuerst musst du andere Dinge erfahren. Wichtig ist zunächst vor allem eines: Du hast große magische Kraft. Sie kann eine Gefahr sein, für andere, aber auch für dich selbst, solange du nicht gelernt hast, sie zu beherrschen. Deswegen ist es wichtig, dass du das Amulett trägst, das ich dir gegeben habe — so lange, bis du gelernt hast, deine Fähigkeiten zu kontrollieren. Es bindet deine magischen Kräfte.«
    Mia musste grinsen. »Soll das heißen, dass ich jetzt zaubern lernen muss?«
    Jakob lächelte. »So in etwa, ja.« Er hob den Kopf, als lauschte er. Anspannung glitt über seine Züge. Da hörte Mia es auch, ein Scharren in der Nähe, als würde etwas Schweres über rauen Fels gezogen. Jakob griff nach seiner Querflöte. »Ich weiß, dass du viele Fragen hast, und du wirst deine Antworten bekommen«, flüsterte er. »Aber jetzt sei leise — wir nähern uns einem besonderen Bereich der Katakomben, und dort wimmelt es nur so von ... Anderwesen.«
    Es dauerte nicht lange, bis Mia sah, was Jakob damit meinte.
    Anfangs waren es nur Schatten, die sich aus dem Dunkel abhoben und sich in ruckartigen Sprüngen bewegten. Dann hörte Mia Stimmen, wisperndes Flüstern wie aus tausend scharfzähnigen Mäulern, und schließlich sah sie das erste fratzenhafte Gesicht. Weiße Körper schälten sich aus den Spalten und Nischen der Tunnel, Gesichter mit vernarbten, blinden Augen und Mündern, aus denen eitrig gelbe Zähne wie abgebrochene Knochen hervorstachen. Sie konnten sie nicht sehen, das merkte Mia schnell, aber sie gingen ihnen nach. Was waren das für Wesen? Lebten sie hier unten? Und wenn ja — wovon? Gerade hatte sie sich überlegt, dass sie sich vielleicht von Steinen oder Luft ernährten, als sie eines Besseren belehrt wurde. Mit einem heiseren Schrei stürzte sich eines der Wesen aus einer Nische auf sie, packte ihren Arm und riss ihn bis dicht vor seine Zähne Mia schrie, als sich eine schwarze Zunge genüsslich über weiße Lippen leckte. Da war Jakob bei ihr, doch statt dem Ungeheuer eins auf die Nase zu geben, wie Mia es sich vorgestellt hatte, hielt ihr Bruder sich seine Querflöte an die Lippen. Ein heller Ton entwich dem Instrument, kaum hörbar zwar — doch für das blinde Wesen war er offenbar schrecklich. Keuchend ließ es Mias Arm los, presste sich die Hände an den Kopf und zog sich wimmernd in die Schatten zurück.
    Jakob hörte nicht mehr auf zu spielen, selbst wenn er Portale in andere Bereiche der Katakomben öffnete, und die merkwürdigen Kreaturen wichen vor ihnen zurück, als würden sie schmelzen im Schein der Sonne. Endlich blieb Jakob stehen und nahm das Instrument von seinen Lippen. Sie standen vor einer niedrigen Wand. Er verstaute seine Flöte, dann murmelte er etwas vor sich hin. »Nicht erschrecken«, sagte er noch. Im nächsten Moment wuchsen ihm lange braune Haare, seine Haut verfärbte sich blau, und er bekam einen leuchtend roten Bart. Seine Kleidung verwandelte sich in einen ledernen Mantel und schwere Stiefel, an denen noch immer der Matsch der Kanalisation klebte. Mia starrte ihn mit offenem Mund an.
    »Gestatten, Waldschrat«, sagte er hinter seinem Bart und grinste. Wieder murmelte er vor sich hin, und sie fühlte, wie ihre Haare über ihre Schultern fielen bis hinab zur Hüfte. Ihre Hose verwandelte sich in einen unförmigen langen Rock, und vor ihrer Brust verknotete sich ein braun getupftes Tuch, das weit über ihren Rücken hinabreichte. Ein seltsamer roter Schleier lag vor ihrem Blick, doch Jakob lachte, als sie sich über die Augen wischte.
    »Sie sind rot«, sagte er leichthin. »Und keine Sorge. Das ist alles nur eine Illusion. Aber dort, wo wir jetzt hingehen, ist es für uns als Menschen die einzige Chance zu überleben.«
    Er ließ ihr keine Zeit, die Bedeutung seiner Worte zu begreifen. Schon schritt er durch das nächste Portal. Mia folgte ihm und fand sich in einer düsteren, schmalen Schlucht wieder. Von irgendwoher kam Wind, aber um sie herum war es so dunkel, dass sie nicht erkennen konnte, wo sie sich genau befand. Stattdessen sah sie die Wesen, die über den schmalen Grund der Schlucht hasteten — allesamt waren es Waldschrate, und sie sahen nicht viel anders aus als sie selbst. Staunend starrte Mia sie an, bis einer von ihnen ihr einen Kuss zuhauchte und

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