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Grim - Das Siegel des Feuers

Grim - Das Siegel des Feuers

Titel: Grim - Das Siegel des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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ihren Schein zu uns gesandt. Und dann, wenn sie schon lange nicht mehr da sind, gibt es doch noch ihr Licht, das für uns strahlt.
Grim krallte seine Klaue in die Tür des Mausoleums, dass sich das Metall zusammenzog. Sie hatte Abschied von ihm genommen, und er hatte es nicht einmal gemerkt. Sie hatte diese verfluchten Schmerzen kaum noch ertragen, er hatte es gewusst, und als der Moment gekommen war, da sie ihn gebraucht hätte, hatte er wie ein kleines Menschenkind mit verschränkten Armen dagesessen und nichts begriffen.
    Für einen Augenblick wollte er zu ihr hinauffliegen, sie noch einmal aus der Nähe betrachten, ihr Lebewohl sagen. Doch dann wandte er sich ab, mit einer einzigen, mächtigen Bewegung, und erhob sich in die Nacht. Er floh vor der Dunkelheit, die in Moiras toten Augen auf ihn wartete, floh auch vor dem Schrei in seinem Inneren, der wider- und widerhallte und etwas in ihm zerbrechen wollte, das nie wieder heilen würde. Nein, er durfte sich dieser Trauer nicht stellen. Sie würde ihn mit sich reißen und alles zerstören, was er war — mit einem einzigen Blick.
    Die Kühle der Nacht strömte über sein Gesicht und beruhigte ihn, bis seine Gefühle nichts mehr waren als leise Flüstertöne tief in seinem Inneren. Er wusste, dass er der OGP Bericht erstatten musste, so war das, wenn ein Gargoyle das Ewige Leben freiwillig abgab und ein anderer ihn fand. Er konnte die Vorstellung nicht ertragen, dass die Stielaugen der Spurenbeseitigung sich an Moira zu schaffen machten, er wollte sie nicht hören, die Schwätzer von Notre Dame, die immer zu allem eine Meinung hatten. Aber Mourier würde ihm mit sauberem Krallenschlag den steinernen Kopf vom Körper trennen, wenn er herausfand, dass er seine Aufträge vernachlässigt hatte, unnützerweise Menschen verfolgte und nun auch noch den Suizid eines Gargoyles beobachtet und nicht gemeldet hatte. Grim zog die Brauen zusammen, als er an seinen Vorgesetzten dachte.
    Mourier war ein aufgeblasener Laffe von einem Gargoyle, ein eingebildeter geflügelter Löwe, der vor allem durch seine Beziehungen zum Königshaus überhaupt Präsident der OGP geworden war und bei jeder Gelegenheit erzählte, wie er angeblich gegen diesen Lindwurm gekämpft und gesiegt hatte, der vor Urzeiten auf irgendeinem Friedhof gelebt haben sollte. Grim schnaufte, als er darüber nachdachte. Aber es half nichts.
    Er konnte es nicht riskieren, dass der Löwe ihm einen Posten in den Katakomben und Metroschächten zuwies, eine Arbeit unter Neonlicht, zwischen dem ewigen Getuschel der Ratten und im Gestank des unterirdischen Paris. Ihm blieb keine Wahl. Er musste Bericht erstatten. Sofort.
    Schon von Weitem sah er den Gare d'Austerlitz wie eine Insel aus Licht im dunklen Gewirr der Straßen auftauchen. Lautlos landete er in einer kaum beleuchteten Gasse, murmelte die Formel und spürte gleich darauf, wie sich sein Magen zusammenzog. Ein Schmerz wie der Stich von tausend Nadeln raste über seine Haut, er krümmte sich, als der Stein sich in seinen Körper zurückzog und stattdessen zarte, weiche Menschenhaut sichtbar wurde. Lederne Schuhe umhüllten seine nun menschlichen Füße, und selbst Hose und Mantel schrumpften, bis sie seinem menschlichen Alter Ego wie angegossen passten. Aus seiner Brusttasche zog er eine Sonnenbrille gegen das Licht, dann trat er aus den Schatten.
    Die Bahnhöfe waren seit Langem die beliebtesten Eingänge in das unterirdische Netzwerk, das nach Ghrogonia führte. Ein zwielichtiger Handel der Gargoyles mit einem der teuflischsten Geschöpfe von Paris hatte ihnen diese Erleichterung verschafft, denn der Verkehr zwischen Unter- und Oberwelt florierte seit jeher, und es war doch mehr als lästig, jedes Mal widerlich magisches Wasser saufen zu müssen, um nach Ghrogonia teleportiert zu werden. Immer noch nutzten viele Bewohner der Schattenstadt diese Wallace-Möglichkeit — so benannt nach dem Erfinder der grünen Brunnen, der sich als einer der wenigen gargoylefreundlichen Hartide entpuppt hatte —, vor allem jene, die sich vor der Verwandlung fürchteten. Denn durch den Zauber des Vergessens war es natürlich undenkbar, dass Gargoyles, Gnome oder Kobolde den Bahnhof in ihrer wahren Gestalt betraten. Man stelle sich die Panik vor, die ein behaarter Troll bei den Menschen auslösen würde! Grim lächelte bei der Vorstellung. Ihm selbst passte diese Verwandlungsgeschichte auch nicht, zumal sie ihn, sobald er in Bahnhofsnähe die Formel sprach, in die lästige Gestalt

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