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Grim - Das Siegel des Feuers

Grim - Das Siegel des Feuers

Titel: Grim - Das Siegel des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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ihr übermütig zuzwinkerte. Verlegen wandte sie sich ab und sah, dass an den Wänden der Schlucht kleine Türen und Fenster angebracht waren.
    »Sie wohnen hier?«, flüsterte sie Jakob zu, aber der pfiff gerade gellend laut durch die Zähne.
    Im nächsten Augenblick rauschte es in der Luft, und ein zerrupfter Esel mit Flügeln landete neben ihnen und schaute treuherzig zu ihnen auf. Um seinen Hals hing ein grünes Band mit einem Schriftzug in einer fremden Sprache.
    »Ein geflügelter Esel«, murmelte Mia, als sie sich hinter Jakob auf das Tier schwang.
    »Nicht jeder kann sich einen Pegasus leisten«, kommentierte er leichthin. »Außerdem halten die Esel alles für einen Schrat, das nur genügend nach Knoblauch riecht. Sie sind die Taxis der armen Leute hier unten.«
    Da bäumte der Esel sich auf und erhob sich so schnell in die Luft, dass Mia sich gerade noch an Jakob festhalten konnte, um nicht abgeworfen zu werden. In rasendem Tempo ging es voran, dann hob der Esel den Kopf und schoss beinahe senkrecht in die Höhe, hinaus aus der Dunkelheit der Schlucht. Mia spürte, wie ihr Magen sich verkrampfte. Gerade wollte sie sich die Hand vor den Mund pressen, um Schlimmeres zu verhindern, als sie den Blick wandte und ihr der Atem stockte.
    Sie schwebten in einer Höhle von solchen Ausmaßen, dass Mia weder Decke noch Wände erkennen konnte, und vor ihnen, funkelnd wie tausend schwarze Sterne, lag eine riesige Stadt. Wie ein gewaltiges zerbrochenes Schloss thronte sie inmitten einer zerklüfteten Landschaft. Es war, als wäre sie als zu schwerer Stein auf einen trockenen Boden gefallen und hätte die Erde um sich herum gespalten. Nun fächerten sich Schluchten von ihr fort, einige sanft, andere so tief, dass wohl niemand hätte sagen können, wie weit sie hinabreichten. Nadelfein erhob sich ein gewaltiger Turm in der Mitte der Stadt. Über ihm lag eine zitternde Haut schwarzer Flammen.
    »Das«, sagte Jakob, indem er sich nach hinten beugte, »ist Ghrogonia — früher die Stadt aller, denn das bedeutet ihr Name ursprünglich, nun die Stadt der Schatten, erbaut von den Drachen als ein riesiges Schloss vor unendlich langer Zeit. Einst war sie ein leuchtender schwarzer Stern und schwebte hoch über der Ebene, die nun von Schluchten durchzogen wird. Doch als die Drachen gingen, stürzte der Stern zu Boden. Sie haben Ghrogonia verlassen, und sie haben die Hoffnung mit sich genommen — so sagen es die Legenden.«
    Mia starrte wie verzaubert auf die glimmende Stadt. Staunend ließ sie ihren Blick über die Gebäude gleiten, die sich in jeder Form und Größe in das gewaltige Schloss gefressen hatten. Prachtvolle Kathedralen erhoben sich aus der Dunkelheit, sie sah Burgen und Paläste, deren Größe ihr den Atem raubte und die nur von den gewaltigen Zinnen des einstigen Schlosses übertroffen wurde. Wie riesig waren wohl die Drachen gewesen, die in einem so gigantischen Bau gelebt hatten? Erst als sie näher kamen, bemerkte sie die steinernen Figuren, die überall auf den Kuppeln, Türmen und Zinnen standen. Sie rührten sich nicht, und ihre Körper schimmerten im Schein der Lichter. Es war, als wären sie mitten in der Bewegung zu Stein geworden. Wie erstarrte Schatten standen sie auf Ghrogonias Dächern.
    Jakob folgte ihrem Blick. »Sie sind die neuen Herrscher dieser Stadt«, sagte er mit einem Lächeln. »Du kennst sie als Wasserspeier, als Statuen auf Brücken und Kirchen, aber in Wahrheit steckt Leben in ihnen — nachts, wenn kein menschliches Auge sie sieht. Sie fürchten und beschützen uns seit uralter Zeit. Sie sind der kalte Hauch, der in einer warmen Sommernacht deine Wange streift, wenn du schläfst, und sie sind der schwache Duft von Dunkelheit im Morgengrauen. Sie sind die gefallenen Engel unserer Zeit, sie sind — die Gargoyles.«

Kapitel 9

    ls Grim am Abend erwachte, war für einen winzigen Moment alles wie früher. Dann erinnerte er sich. Tosend wie ein Meer aus schwarzen Wellen brachen die Ereignisse der vergangenen Nacht auf ihn nieder und rissen ihn mit sich. Ehe er sich rührte, schaute er zum Dach der Kapelle. Dort stand Moira noch immer, die Hand zum Gruß erhoben, und lächelte auf ihn herab. Doch sie war nichts mehr als eine steinerne Figur. Sie hatte sich der Sonne geschenkt — wie viele Gargoyles vor ihr, die keine Kraft mehr gehabt hatten für die Unsterblichkeit.
Es gibt Sterne, die schon nicht mehr da sind, wenn wir ihr Licht sehen. Sie sind erloschen, verstehst du, aber vorher haben sie

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