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Grim - Das Siegel des Feuers

Grim - Das Siegel des Feuers

Titel: Grim - Das Siegel des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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nachdem der Zauber des Vergessens gesprochen wurde, fanden sich die ersten Hartide zusammen. Sie, die noch immer sehen konnten, waren auf einmal umgeben von Blinden, und die Hälfte ihrer bisherigen Welt war verschwunden. Viele von ihnen wurden von den Gargoyles ausfindig gemacht und ermordet, aus Angst, dass sie den anderen Menschen von der verborgenen Anderwelt erzählen könnten. Aber es gab einige, die den Gargoyles entkamen. Gemeinsam mit den Freien beschlossen sie, ihr Leben zu riskieren und einen gefährlichen Plan in die Tat umzusetzen. Einen Plan, der ...«
    In diesem Moment wurde die Tür aufgerissen. Mia schrie auf, und Jakob presste das Paket an sich, das er gerade beinahe vollständig geöffnet hatte. Ausatmend stellten sie fest, dass Vraternius in der Tür stand.
    »'tschuldigung«, murmelte der verlegen. »Ich wollte nur ... Eine Patrouille hat diese Straße erreicht, sie durchsuchen jedes Haus nach den flüchtigen Hybriden. Ich vermute, dass sie sich auch mit zwei Menschen zufriedengeben werden, und deshalb ... Also, ihr solltet verschwinden.«
    Kaum hatte er das gesagt, polterte etwas gegen seine Tür. Mia zuckte zusammen. Jakob stopfte das Paket in seine Jackentasche und sprang auf.
    »Wir müssen verschwinden«, sagte er leise. »Wenn sie uns erwischen, sind wir tot.«

Kapitel 11

    uf dem Platz vor dem Schwarzen Dorn erhob sich ein Podest mit einem Thron aus weißem Marmor in der Mitte. Knapp dahinter stand Grim, eingezwängt zwischen Mourier und Kronk, einem der früheren Krieger in der Geschichte der Schattenflügler. Zu Anlässen wie diesen standen die Helden von einst stets in der ersten Reihe: Walli, der abergläubische Bär, der die Gestaltwandler von Budapest das Fürchten gelehrt hatte, Vladik, der in der Tundra Sibiriens den menschenfressenden Harpyien gefolgt war, Pyros, der in der Unterwelt Moskaus die Wiedergänger in Zaum gehalten hatte — oder eben Kronk, dieser breitschultrige Gargoyle mit den rabenschwarzen Augen, dessen Gesicht mit den Jahren grau und verbittert geworden war. Vor über zweihundert Jahren waren sie alle Gefährten gewesen. Gemeinsam hatten sie die Aufstände der Dämonen in Prag niedergeschlagen und immer wieder auch die Welt der Menschen vor dem Bösen bewahrt. Doch diese Zeiten waren lange vorbei. Die Menschen hatten gelernt, sich selbst zu helfen, und auch in der Anderwelt war Ruhe und Ordnung eingekehrt. Heutzutage gab es keine Kriege mehr. Es gab keinen Platz mehr für die Kämpfer der alten Zeit. Sie verbargen sich unter reglosen Fassaden, hatten sich in Stille und Einsamkeit zurückgezogen. Jetzt standen sie hier, armselige Abziehbilder ihrer einstigen Stärke, Requisiten für Krönungszeremonien und Hinrichtungen.
    Grim betrachtete verstohlen Kronks regungsloses Gesicht und spürte, wie sich etwas in ihm zusammenzog. Früher hatten sie einander gemocht, mehr als das, es hatte fast so etwas wie Freundschaft zwischen ihnen bestanden. Doch mit den Jahren hatten sie sich voneinander entfernt, oder besser gesagt: Sie hielten sich voneinander fern. Alle alten Schattenflügler taten das, vielleicht, um nicht in den Spiegel schauen zu müssen, um nicht immer wieder damit konfrontiert zu werden, dass sie nicht mehr gebraucht wurden als das, was sie eigentlich waren:
eherne Engel, Helden auf Flügeln aus Stein.
    Grim hatte die Hände auf dem Rücken verschränkt und bemühte sich nach Kräften, seine trüben Gedanken für sich zu behalten. Aber er brauchte nur in die Menge zu sehen, diese geifernde, sensationslüsterne Masse dort unten, und ihm wurde auf der Stelle speiübel.
    Kobolde, Gnome, Vampire und andere Wesen hatten sich auf dem Platz vor dem Schwarzen Dorn eingefunden, vor allem Gargoyles natürlich, und alle warteten sie auf den Mörder. Grim hustete, um sein verächtliches Schnauben zu vertuschen, das ihm gerade aus Versehen entwichen war. Wie viele Hybriden waren in den letzten Wochen hingerichtet worden? Und hatte man nicht einige von ihnen mit der Mordserie in Verbindung gebracht? Sicher, die meisten hatten sich wirklich etwas zuschulden kommen lassen, und oft nicht nur das geheime Leben im Untergrund, das an sich schon streng verboten war. Es waren Diebe darunter gewesen, Totschläger — und Mörder. Aber keiner davon —
keiner —
wäre fähig gewesen,
diese
Morde zu begehen. Und er, Grim, musste jetzt hier stehen, knappe zwei Meter hinter Thorons Thron, und zusehen, wie sein eigenes Volk sich für dumm verkaufen ließ. Sie schrien nicht

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