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Grim

Grim

Titel: Grim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Schwartz
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Kehle.
    Die Haut des Hexers war kalt unter seinen Fingern, und als er die Nägel in Grims Arme grub, drang die Kälte des Flusses tausendfach verstärkt in dessen Körper. Doch er achtete nicht darauf. Mit glühendem Zorn starrte er in die weißen Augen des Wassermanns und stürzte sich vor. Er ertrug den schneidenden Frost, der ihn umfing, die lähmenden Strömungen des Flusses, und er ließ sich hinabfallen in den Abgrund, die Finsternis, die Verdammnis, die den Wassermann in seinem Inneren umklammert hielten. Bilder tauchten um ihn herum auf, Erinnerungen, Gedanken, die Grim zerschlug wie dünne Scherben. Ihm blieb keine Zeit für die Trauer des Himmels über dem Ozean, für die Gesänge des Meervolks oder die düsteren Schreie der Sirenen in der Nacht. Die Kälte des Hexers riss an seinen Sinnen, sie durchströmte ihn, als wäre er nicht mehr als ein lächerlicher Bachlauf angesichts einer todbringenden Flut. Schon pochte der Schwindel hinter seiner Stirn, die Dunkelheit um ihn herum wurde zäh. Angar Kalfingur war mächtig, er würde Mia nicht gehen lassen, niemals. Es gab nur einen Weg, ihr Leben zu retten, und als Grim auf den Grund stieß, dorthin, wo die Wassermassen unendliche Gewalt hatten und kein Licht mehr zu ihm drang, da ergoss sich die Kraft der Flamme in seine Glieder, und er folgte ihr in die Finsternis um sich herum. Er durchdrang die Bilder des Wassermanns, als wäre er Wind, der durch einen einsamen Wald zog, und als er hinabstieg in ein gesunkenes Schiff tief unten auf dem Grund eines vergessenen Meeres und das weiche Haar eines Kindes auf seinen Wangen spürte, da hörte er den Hexer brüllen. Doch es war nicht länger seine Stimme, die aus seiner Kehle drang. Es war Grim, der das Meer mit seinem Schrei zerriss.
    Er sah, wie die Nixen unter seinem Ruf von Mia abließen, sah auch Remis, der mit zusammengekniffenen Augen an ihrem Ärmel hing, und er fühlte das schwarze Vampirblut, das aus einer tiefen Wunde in Lyskians Brust rann. Doch er nahm es nicht länger mit seinen Sinnen wahr – er spürte es mit den Sinnen des Flusses, und als er Mias Körper mit seinen Wellen umfasste und sie wie Lyskian und Remis ans Ufer trug, da erkannte er, dass er selbst zum Fluss geworden war, mehr noch: Er war ein Teil des Meeres, des Himmels, des Regens, er war die Luft, die gerade in diesem Moment mit eiskalter Hand die Oberfläche der Moldau aufpeitschte, er war jedes Sandkorn, jede Welle, jede Muschel in den Fluten.
    Ist das alles? , brüllte er in Gedanken. Ist das alles, was du kannst, Samhur? Einst gehörtest du zu den mächtigsten Kriegern dieser Welt, und nun sieh dich an! Ist das alles, was die Akademie der Schatten noch aufzubieten hat? Einen Fischschwarm und anderes Meeresgetier?
    Er lachte, doch das Brüllen der Flamme übertönte jedes Geräusch. Es überschwemmte die Glut in seiner Brust, kalt ergoss es sich in seine Glieder, und er verdrängte den Namen des Fuchses, der plötzlich vor ihm auftauchte, und erschrak kaum, als sich dessen Bild in Seraphins Gestalt verwandelte. Zusammengesunken kauerte sein Bruder in der Ruine seines Schlosses, das sich langsam neu errichtete, und in seinen Augen tobte ein Sturm. Dumpf überkam Grim die Erkenntnis, dass Seraphin in seinen Gedanken herumgeisterte, und der Zorn darüber stach ihm in den Nacken. Mit einem Schrei zerriss er das Bild, kurz spürte er das Entsetzen, das in Seraphins Augen stand, doch schon stürzte es in die kalte Glut seiner Venen, und als Seraphin in den Fluten versank, da waren sie nicht länger verwunschen und kalt. Sie waren rot – und golden wie das Feuer, das Grim in sich trug. Wie eine Puppe hing Angar Kalfingur in seinen Klauen, er nahm ihn kaum wahr, und als von irgendwoher ein Schrei an sein Ohr drang, kümmerte es ihn nicht. Still, so still und kühl war es in ihm, nun, da die Flamme ihn erfüllte, und er spürte, dass er mehr, viel mehr sein konnte als dieser Fluss. Er konnte werden, der er

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