Grim
du uns einweihst in das, was hier passieren soll. Vielleicht brichst du dein Schweigen und erzählst uns davon?«
Samhur war einige Schritte zurückgetreten und zog Mantel und Hemd aus. Seine Haut wirkte in der Dämmerung wie bleiche Knochen. »Vielleicht«, erwiderte er, nickte lächelnd – und ließ eben dieses Lächeln so rasch erlöschen, als wäre es ein Menschenleben in seiner Hand – , »vielleicht aber auch nicht.«
Ehe Grim etwas erwidern konnte, trat Lyskian vor. »Ihr werdet uns ohne Frage unserem Ziel näher bringen«, sagte er höflich, doch Samhur bedachte ihn mit unverhohlenem Spott.
»Sofern Ihr Eure Ziele kennt, werter Prinz«, erwiderte er. »Doch Ihr habt recht. Ich werde Verus finden, dessen könnt ihr gewiss sein. Allerdings scheint nicht jeder hier über den unermesslichen Wissensschatz unseres Hybriden zu verfügen. Das Ritual, das ich nun durchführen werde, ist nicht ungefährlich, ebenso wenig wie die Asche, auf der ihr steht. Ihr könnt gern bleiben, wo ihr seid, aber rechnet nicht damit, dass ich eure binnen weniger Wimpernschläge verkohlten Körper anschließend entsorge. Ganz wie ihr … «
Remis sauste so schnell ins Innere des Ovals, dass er einen Pfeifton in der Luft hinterließ. Mia folgte ihm mit den anderen und stellte fest, dass der Stein unter ihren Füßen warm war, als würde er leben. Samhur trat näher, seine Fingerspitzen überzogen sich mit schwarzen Flammen. Edwin wich zurück, doch der Vampir stieß ungeduldig die Luft aus. »Ihr solltet mir dankbar sein, dass ich an Belanglosigkeiten wie euer Leben denke und Vorsichtsmaßnahmen ergreife. Wollt ihr leben oder sterben? Oder wollt ihr hier herumstehen, bis Verus alles erreicht hat, was er will?«
Mia trat vor. Sie spürte den Pulsschlag in den Schläfen, als Samhur sie mit seinem Blick umfasste, und fühlte sich von ihm noch näher an den Rand des Ovals herangezogen. Dann streckte er seine flammende Hand nach ihr aus. Eiskalt waren seine Finger auf ihrer Stirn. Sie zitterte, als er über ihre Wangen strich, und sah das leichte Flackern der Siglen, die er auf ihre Haut zeichnete. Nacheinander legte er seinen Zauber auch auf die anderen. Dann wandte er sich ab. Die Flammen seiner Hand verfärbten sich grün, und als er zu seinem Feuer in der Mitte des Raumes zurückkehrte, entfachte sich ein Glutkreis um ihn herum. Er breitete die Hände aus, Funken sprangen darüber hin und legten sich als verschlungene Zeichen auf seine Haut, um mit leisem Zischen in ihn einzusinken. Vereinzelt hinterließen sie Brandnarben in seinem Fleisch, doch Samhurs Gesicht zeigte keine Regung. Er stand nur da, und als das letzte Zeichen in ihn eingedrungen war, sank er auf die Knie. Beinahe andächtig hob er den Blick. Das Feuer über seinem Kopf wurde zu einem Dolch aus weißen Flammen und fuhr mit schneidendem Geräusch in seine Brust. Kurz loderte es auf, zog über seinen Körper und erlosch.
Mia hörte das unterdrückte Stöhnen von Edwin und fühlte Remis neben sich schwanken, doch sie konnte sich nicht von Samhur abwenden. Er grub die Hände in die Asche, und da brach das Feuer aus seinen Fingern und schoss in das Geflecht des Raumes wie Blut durch menschliche Venen. Die steinerne Kruste zersprang, Adern aus Glut lagen darunter und zogen sich pulsierend über Wände und Boden, bis der gesamte Raum in glimmenden Schein getaucht war und Mia nicht mehr wusste, ob sie sich tatsächlich noch in einem Zimmer aus Stein befand tief unter der Erde – oder in den Eingeweiden eines lebendigen Wesens.
Ein Flüstern entwich Samhurs Mund, und sie meinte, die Worte sehen zu können, die flirrend wie heiße Luft über seine Haut strichen. Im selben Moment brachen die Brandnarben in seinem Fleisch auf, und sein Blut tropfte auf die Adern am Boden, die sich dunkel verfärbten und aufrichteten. Sie packten ihn an Armen und Beinen und hoben ihn in die Luft. Kurz hing er dort reglos. Der Kopf war ihm auf die Brust gesunken, Blut lief über seinen Oberkörper, er war gefesselt an Händen und Füßen. Er sah aus wie … Doch noch ehe Mia diesen Gedanken beenden konnte, riss er den Kopf in den Nacken und öffnete die Augen.
Sie waren weiß geworden wie Schnee und doch sah er Mia an, irgendetwas in ihm, das lauernd in den Schatten hockte. Der Jäger verzog das Gesicht zu einer Grimasse, als drückte sich eine tiefe Finsternis von innen gegen seine Züge, um sie zu verzerren. Seine Lider begannen zu flattern, tosend brandete sein Blut durch die Adern des
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