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Grim

Grim

Titel: Grim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Schwartz
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beiseitegeschoben und einen dahinterliegenden Geheimgang geöffnet. Fackellicht warf sich in den Raum.
    Was ist die Wirklichkeit, Menschenkind? , fragte er Mia, während die anderen durch die Tür traten, und kurz schien es ihr, als würde er sie das tatsächlich fragen, als würde er wissen, dass sie eine Antwort darauf finden konnte, die ihm verschlossen bleiben musste.
    Das hängt von der Beschaffenheit unserer Gedanken ab, erwiderte sie.
    Er hielt inne, etwas wie Achtung stahl sich in seinen Blick. Und von den Fragen, die wir stellen, nicht wahr? , entgegnete er dann. Manchmal werden die Antworten belanglos, wenn du nur die richtige Frage findest. Manchmal aber auch gefährlich. Es gibt nicht viele Wesen, die dieses Wechselspiel ertragen können und die sich auf die Suche nach der Wahrheit machen. Doch umso kostbarer sind jene, die es tun, jene, die ihrer eigenen Stimme folgen, ungeachtet der Finsternis um sie herum – oder der Nacht in ihrem Inneren.
    Ein Lächeln flammte über sein Gesicht, und für einen Moment konnte Mia den Schmerz sehen, der auf dem Grund seiner Finsternis lag, auf dem Grund des Rätsels, das er für sie war. Ein verdammter, tiefschwarzer Schmerz war es, der ihm die Brust zerriss in einsamen Nächten. Er hob leicht den Kopf. Zum ersten Mal, seit sie sich kannten, hatte sie das Gefühl, dass er sie wirklich ansah, und ein Gedanke zog durch ihren Sinn, als hätte Samhur ihn zu ihr geschickt: Alle seine Nächte waren einsam. Mia erwiderte sein Lächeln kaum merklich. Mochte er gefährlich sein, ein Jäger der Schatten mit tausend Gesichtern, dessen Zwielicht Grim aus ihren Armen zog – doch er war auch verloren und suchend wie sie, und in diesem Augenblick hatte er ihr ein Licht zugeworfen aus seiner Dunkelheit.
    Sie folgte den anderen in den Gang, der sich spiralförmig abwärts wand. Samhur bewegte sich so geräuschlos wie die Flammen, die er trug. Schattenspiele tanzten über die Wände, während sie tiefer hinabstiegen, und glitten schließlich durch einen Korridor. Samhur öffnete die schwere Holztür an seinem Ende, und sie traten in einen Raum, der ganz und gar mit schwarzer Asche bedeckt war. Die Decke jedoch lag da wie eine umgedrehte Wasseroberfläche. Sie spiegelte nichts, aber Flämmchen in grünem und blauem Licht tanzten über sie hin und verursachten leichte Wellenbewegungen.
    Samhur trat in die Mitte des Raumes und befreite das Feuer, das leise flackernd über seiner Handfläche stehen blieb. Wortlos bewegte er die Finger hindurch, woraufhin sich die Flämmchen in der Decke zu Feuerschleiern verbanden und den Raum erhellten. Nun konnte Mia sehen, dass sich ein Netzwerk wie aus vertrockneten Baumwurzeln über dem Boden und den Aschewänden ausgebreitet hatte. Vorsichtig strich sie darüber hin und stellte fest, dass das Geflecht steinhart war und kalt wie Eis. Und in die Wurzeln, größtenteils von dicken Ascheschichten bedeckt, waren Zeichen eingraviert worden, Formeln und Glyphen aus lang vergangener Zeit.
    »Ausgesprochen gemütlich hier«, murmelte Grim und wischte sich Ascheflocken von der Schulter, dass Remis drei Mal hintereinander niesen musste. »Ich frage mich, wie viele Keller dein Keller besitzt, Jäger der Schatten.«
    Samhur hob leicht die Brauen, als würde er fragen, ob Grim das tatsächlich wissen wollte. Während sein Feuer in der Luft stehen blieb, trat er gelassen auf die Wand zu, strich über die Wurzeln und brachte sie dazu, sich von einem Stück des Bodens zurückzuziehen. Darunter lag weißer Marmor.
    »Dieser Ort ist so alt wie Lhor’na Phrakam’thin«, stellte Samhur fest. »Er diente uns als Ritualraum, wir nutzten ihn häufig, früher, als … « Er verstummte und Mia meinte fast, den Schatten wie einen Flügelschlag über ihre Haut streichen zu fühlen, der mit seinem Schweigen über sein Gesicht zog. Er deutete auf den freigelegten Boden. »Dies ist euer Platz. Setzt euch, doch verlasst unter keinen Umständen den steinernen Grund, berührt nicht die Asche – und schweigt.«
    Edwin schien es kaum erwarten zu können, aus der Asche herauszukommen. Wie ein Storch im Salat stakste er in das Oval, das Samhur freigelegt hatte, und schaute erwartungsvoll zu Radvina und Jaro hinüber, die ihm zögernd folgten.
    Grim hingegen verschränkte die Arme vor der Brust und rührte sich nicht von der Stelle. »Ich kenne mich gut genug mit magischer Asche aus, um zu wissen, welche Kräfte sie entfalten kann«, sagte er. »Umso wichtiger erscheint es mir, dass

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