Grim
Hauptportal Notre-Dames.
Grim landete neben Kronk und Pyros vor dem aus den Angeln gerissenen Tor. Der Eingang der Kathedrale lag da wie ein mächtiger Schlund, und die Figuren des Jüngsten Gerichts, die ihn säumten, trugen flackernde Finsternis im Blick. Stille drang aus der Kirche, eine Stille, die den Nebel wie ein lauerndes Tier innehalten ließ. Grim zog die Brauen zusammen. Er würde sich nicht aufhalten lassen von einem verfluchten Loch in einer Kirche. Entschlossen nickte er den anderen zu und trat ein.
Sofort umfing ihn die kühle Luft Notre-Dames, dieser uralte Atem, der nach dem Beginn der Welt roch, ganz gleich, wie viele Kerzen und Weihrauchschwenker die Menschen entzündeten, um ihn zu überdecken. Diese Luft hatte die ersten Kinder der Welt genährt, sie hatte die Drachen atmen lassen und die Feuer in den Vulkanen der Erde entfacht. Grim fühlte, dass er einen Teil ihrer Kraft in sich trug, und etwas wie Ehrfurcht ergriff ihn in der Dämmerung dieser Kirche, ehe er jedes Gefühl in der Kälte seines steinernen Blutes ertränkte.
Mehrere Kirchenbänke waren unter dem Gewicht des Dämons zerborsten, Steinsplitter bröckelten noch immer von den Säulen, und Kerzenleuchter lagen umgestürzt am Boden. Nebelfetzen strichen an ihnen vorüber, tastend wie Geisterklauen, und der fahle Schein des nächtlichen Paris fiel silbrig und unheilvoll durch das riesige Rosettenfenster. Vereinzelt hörte Grim das atemlose Keuchen der lächerlichen Gargoyles hoch oben in der Kuppel, dieser verweichlichten Snobs, die bei seinem Anblick regelmäßig Stielaugen bekamen. Doch er hatte Wichtigeres zu tun, als sich ausgerechnet jetzt mit diesen Feiglingen zu beschäftigen.
Der Dämon war nirgends zu sehen, aber Grim konnte ihn fühlen, seinen Schmerz, seine Anspannung – und seinen Zorn. Kaum hatte er das gedacht, ging ein Raunen durch die Kirche. Es war, als würden die Schatten, die eben noch in den Ecken und hinter den Säulen gekauert hatten, sich zu einer Gestalt zusammenziehen. Grim trat in den Mittelgang, ein Windhauch stob über die zerbrochenen Bänke und traf sein Gesicht gerade in dem Moment, da er den Dämon an seinem Ende erkannte. Seine Hörner ragten teufelsgleich in die Höhe, glimmende Funken glitten über seinen Körper, und als er beide Arme emporriss, da meinte Grim, ihn lachen zu hören – heiser und verflucht. Im selben Augenblick loderten die Kerzen um ihn herum in schwarzem Feuer auf und erhellten die Gestalt des Minotaurus, der mit tief geneigtem Kopf den Dolch aus seiner Brust zog. Pyros wollte die Faust für einen Donnerzauber heben, doch Grim hielt ihn zurück, denn kaum, dass der Dämon die Waffe zu Boden fallen ließ, glitten Schatten aus seiner Wunde, schwarze, feuchtglänzende Schemen, die sich zu Schlangen formten und über seine Arme krochen. Langsam hob der Dämon den Kopf. Seine Augen waren im Dunkeln verborgen, aber Grim spürte seinen Blick wie das Gift der Schlangenleiber auf seiner Haut. Der Dämon beschwor die Macht des Schwarzen Petroleums aus seinen Adern. Schon drang die Formel aus seinem Schlund, und die Schlangen glitten über seine Fäuste in den Nebel. Sie bewegten sich wie durch Wasser und verwandelten die gerade noch weißen Schleier in graue Schwaden aus Gift. Kronk murmelte einen Schutzzauber, doch schon legte sich die Macht des Petroleums auf Grims Sinne. Die Schlangenleiber glitten auf ihn zu, geschmeidig und lautlos, und noch während er den Arm für einen Abwehrzauber hob, verwandelten sie sich in grazile Meerwesen, in Nymphen, Seefrauen und Nixen, nur um im nächsten Moment wieder nicht mehr zu sein als glitschige schwarze Schlangen.
Grim stieß einen Fluch aus und fixierte den Minotaurus mit seinem Blick. Er kannte die Tücken des schwarzen Giftes, zum Teufel noch eins, und zwar besser als jeder Dämon aus den Schatten! Er gab einen Befehl auf Grhonisch, und sofort stürzten Kronk und Pyros vor. Die Schlangen wichen nicht vor ihnen zurück, doch Grim schickte ihnen eine Feuersichel entgegen und zerschlug die ersten Reihen der Körper, die schwarz und feucht wie Tinte zu Boden fielen. Kronk hüllte seinen Körper in einen Hitzeschild, an dem sich die Leiber in grünem Feuer entfachten, und Pyros erschuf zwei Dolche aus Licht in seinen Fäusten, mit denen er die Angreifer wie Figuren aus Papier zerschnitt. Instinktiv bewegten sie sich vorwärts, sie brauchten keine Worte, um die Schritte der anderen vorauszuahnen, und Grim spürte das Blut in seinen Adern, ruhig
Weitere Kostenlose Bücher