Grim
es.IhrruhtaufdemGrunddesMeeres,dochIhrseidnichttot,wieIhrglaubt.DieWellenumspielenEuerHaarunddasLichtistsilbernvonEurerSehnsucht.Ja,IhrverbrenntinderEwigkeit,dochIhrkönntihreinFeuerentgegenstellen,gegendasauchsienichtsausrichtenkann.«DieFinsternisihrerAugenloderteauf,Grimfielesnichtleicht,ihremBlickstandzuhalten.»WisstIhr,dassergenausoerstarrtistwieIhr?«,fragteerdennoch.»WisstIhr,dasserineinerBurgausEissitzt,allein?WisstIhr,dassdereinzigeDuft,denernochkennt,dervondemSchneeinEuremHaarist?«FüreinenMomentsaherwiederdasBildindenAugendesLordsauftauchen,daserimSchlossgesehenhatte,undermeinteerneut,denDuftvonSchneeriechenzukönnen,alsdasHaarderZarinsichimWindbewegte.»ErwirdmitdiesemBilduntergehen.Erwirdsichdarinverlieren,weileresnichtfesthaltenkann.WolltIhr,dassesEuchebensoergeht?«ErschütteltedenKopf.»IchmagjungseinimVergleichzuEuch,undvielleichthabtIhrrecht.VielleichtbinichnichtmehralseinKind.Dochganzgleich,wasIhrsagt,aneinemhalteichfest:IhrseidweitmehralsAscheundRauch.«
Die Zarin erwiderte nichts, doch ihr Blick ging Grim nach, noch lange nachdem er auf die dunklen Straßen Rha’manthurs hinausgetreten war. Reglos hatte sie ihn angesehen, die Augen ebenso schwarz wie ihr Haar, und es war ein Glanz darin gewesen, der ihr Gesicht ganz weich gemacht hatte. Nie zuvor, das wusste er ohne jeden Zweifel, hatte er einen solchen Blick bei einem uralten Vampir gesehen, einen Blick von so wahrhaftiger Schönheit – einen Blick, der beinahe menschlich gewesen war.
Kapitel 38
Die Hitze strich über Mias Wangen, als wollte sie ihr das Fleischvon den Knochen brennen. Dicht an dicht drängten sich die Bäume um den Roten Felsen, ihre Blätter flirrten im Strom der Flammen und ließen glühende Funken auf die schwarzverkohlte Erde regnen. Mia konnte das angekokelte Gewebe ihres Mantels riechen, die Luft drang mit wütender Glut in ihre Lunge, und als endlich die Schutzhütte durch die Bäume brach, stieß sie einen Laut der Erleichterung aus.
Schwarze Weiden umringten die Hütte, ihre Flammen spiegelten sich in den Fenstern und ließen das Glas singen. Die Töne erinnerten Mia an die Stimmen der Vynthonen, die sie einmal im Nordmeer gehört hatte, Vorfahren der Sirenen und gewaltige Geschöpfe der Tiefsee, die nur einmal in dreihundert Jahren an die Oberfläche kamen, um ihren Seelenpartner zu finden und ihn mit sich hinabzunehmen in ewige Finsternis. Eine seltsame Sehnsucht und Verlorenheit hatte in ihren Gesängen gelegen, und nun, da Mia diese Klänge weit unter der Erde hörte, umgeben von tödlichen Flammen, spürte sie wieder den Wind der Wellen auf ihrem Gesicht und sie sah sich neben Grim am Ufer des Meeres stehen. Vielleicht, dachte sie, waren Feuer und Sturm gar nicht so verschieden. Vielleicht waren sie ein und dasselbe in diesem rätselhaften, dunklen Kern.
Lyskian stieß die Tür der Hütte auf und kaum, dass Mia eintrat, umfing sie angenehme Kühle. Sie strich sich die Kapuze vom Kopf. Dünne Rauchschwaden stiegen von ihrem Mantel auf und verloren sich in geisterhaften Schemen in dem kleinen Raum. Ein Holztisch mit sechs Stühlen stand in einer Ecke, die Dielen waren abgelaufen und mit tiefen Kratzern übersät, und als Lyskian die Fackel an der Wand entfachte, bemerkte Mia die Blutspuren auf der Schwelle, so als wäre wiederholt ein Verwundeter darüber hingeschleift worden. An der gegenüberliegenden Wand lag ein deckenhohes Portal, dessen Stein glänzte wie blutiges Fleisch. Sie strich mit der Hand über die Einkerbungen an den Rändern, Worte in Ànth’karya, und fühlte die Kälte des Steins in den Fingerspitzen.
»Das Tor des Charayon«, sagte Lyskian und ließ seinen Blick über die Zeichen wandern, als würde jedes mit anderer Stimme zu ihm sprechen. »Erschaffen in den Tiefen des Eisenbergs, dort, wo die Kälte jedes Feuer verzehrt in ihrer Gier, schützt es die Katakomben der Jagd auf der anderen Seite – und das Hohe Schloss meines Volkes in den Festen des Ewigen Steins.«
Mia nickte kaum merklich. Sie wusste, dass die Vampire nach ihrem Weg aus den Schatten Rha’manthurs zunächst den Hradschin als Herrschaftsgebiet genutzt hatten, sie kannte die Bilder des Hohen Schlosses, das im Inneren des Berges lag, und die Zeichnungen des Inneren Rings, der das Schloss mit schwarzen Toren vor dem Gebiet darunter schützte – jenem weitverzweigten Höhlennetzwerk, das einst wie der Ha’nak Nuy zum Jagdrevier der Vampire gehört hatte.
Lyskian lächelte über ihre Gedanken. »Nur die erfahrensten
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