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Grim

Grim

Titel: Grim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Schwartz
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nichts zu hören als die Stille und das dunkle Pochen seines Herzens. Er richtete sich ein wenig auf. Staubteilchen tanzten in trübem Licht, eine Fackel brannte neben seiner Liege, und er begriff, an welchem Ort er sich befand. Schwach glimmende Nebel glitten über seine Haut und zogen das Gift des Phoenix aus seinem Körper. Im Sessel neben seinem Bett, halb mit den Schatten verschmolzen, saß die Zarin. Ihr Haar bewegte sich im lautlosen Wind ihres Geisterhauses wie in einem Spiel der Wellen. Ihre Augen lagen in Dunkelheit, Grim fühlte die Finsternis wie kalte Finger auf seinen Wangen.
    »Wo … «, begann er, doch seine Stimme war nicht mehr als ein heiseres Krächzen.
    Skarnaara erhob sich schweigend. Ihr Haar fiel um ihre Schultern wie ein Umhang aus Seide, und als sie sich vorbeugte und ihre Hand über seinem Herzen bewegte, wurde ihr Gesicht von der Fackel erhellt. Es war so bleich, als hätte sich eine dünne Eisschicht über ein erfrorenes Lächeln gelegt, und ihre Augen, die bei größerem Abstand schwarz wirkten, waren in Wahrheit von einem dunklen Grün, in dem goldene Funken tanzten. Ihr Zauber war still, und doch spürte Grim sofort die Veränderung, als die Nebel wärmenden Strömen wichen. Das Kratzen in seiner Kehle verschwand, und obwohl die Zarin kein Wort zu ihm sprach, beantwortete sie alle seine Fragen mit einem einzigen Blick. Sie hatte ihn gefunden. Sie hatte ihn geheilt. Samhur und Remis warteten auf ihn. Er war hinabgetaucht in die Finsternis des Phoenix, die seit uralter Zeit in der Feste des Zorns lag. Sie lächelte kaum merklich und ließ die Hand sinken. Für einen Moment berührte sie seine Brust. Ihre Finger waren warm. Dann setzte sie sich auf ihren Sessel, das Gesicht dem Flammenschein zugewandt, und sah ihn an.
    »Das Gift des Phoenix ist stark«, sagte sie. »Doch du bist es auch. Du hast dich lange im Glanz des Diamanten gespiegelt, ehe du ihm entkom men bist, aber du hast ihn zurückgelassen, und die Träume meines Zaubers haben dich an die Oberfläche zurückgeholt.«
    Grim nickte langsam. Erst jetzt, da die Zarin davon sprach, tauchten Bilder in ihm auf, schemenhafte Umrisse von Wesen mit grüner Haut und rätselhaften Augen aus Obsidian. Er fühlte sich in einem schwarzen Weiher treiben, die Nachtluft auf seiner Haut, und spürte dann die Arme, die ihn griffen und mit sich hinabzogen, durch flirrendes Licht und weiches, langes Haar. Wie war es möglich, dass er diese Träume vergessen hatte, diese Bilder, die ihm so real erschienen, als wären sie wirklich geschehen?
    Die Zarin lächelte rätselhaft. »Sind deine Träume es nicht wert, dass du sie als wirklich begreifst?«, fragte sie und ein Glitzern lenkte seinen Blick in ihren Schoß. Sie hielt den Schwarzen Diamanten in den Händen, doch dort, wo ihre Finger ihn berührten, war sein Licht erloschen. Grim sah sein eigenes Gesicht darin aufflammen, auch Remis, Theryon, die Mauern Ghrogonias, Paris im Grau eines fahlen Wintermorgens. Die Bilder berührten ihn tief, er konnte Mias Haar riechen, Wallis Stimme hören, fühlte die Kälte der Oberwelt und schmeckte den Rauch des Zwielichts auf seiner Zunge.
    »Du hast dem Schrei des Uthu etwas geschenkt«, sagte die Zarin sanft. »Er gab dir seine Träne dafür – einen Fhar’al Brunkur. Ich habe die Bilder darin in deinen Augen gesehen, als du im Fieber lagst. Ich sah einen Wald in Flammen, die Hauptstadt der Anderwelt, einen grünen Kobold – und ein Mädchen mit dunklem Haar und suchenden Augen. Immer wieder habe ich sie gesehen. Wer ist sie?«
    Wie ein Leuchtfeuer entfachte sich ein Bild im Diamanten und ließ alle anderen verblassen. Es war Mia, wie sie sich nach Grim umwandte, nachdem sie sich im Keller des Jägers voneinander verabschiedet hatten. Sie war bereits halb aus der Tür getreten, und ehe sie gegangen war, hatte sie noch einmal zurückgeschaut in dem Glauben, er würde es nicht merken. Doch er hatte ihren Blick gesehen, diesen Ausdruck darin, der so viel Sehnsucht war und Liebe und Hingabe, so viel Verzweiflung und Traurigkeit und Furcht, und er liebte sie dafür, dass sie diese Augen hatte und ihn auf diese Weise ansah. »Mein Leben«, erwiderte er. »Sie hat mich im Feuer des Phoenix erreicht, durch alle Schatten und Flammen hindurch.«
    Grim wandte sich ab, auf einmal ertrug er Mias Blick nicht länger. Er wusste, dass seine Worte der Wahrheit entsprachen, aber er erinnerte sich auch daran, wie leise ihre Stimme gewesen war, beinahe lautlos, und mit

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