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Grim

Grim

Titel: Grim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Schwartz
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eisiger Sturmwind peitschte um ihren Körper, er zerrte an ihrem Kleid, und als ihr Haar beiseite flog, erschrak Grim beim Anblick ihrer durchscheinenden Haut. Schatten schoben sich darunter hin wie tote Leiber unter einer Eisschicht, der Sturm drückte ihm die Luft ab, während die Züge der Zarin sich wie unter harten Lichtreflexen vertieften.
    »Kind des Feuers«, raunte sie und ihre Stimme grub die Nägel des Sturmwinds tiefer in sein Fleisch. »Was weißt du von der Gier der Finsternis, die in mir brennt, was von der Kälte in meinen Gliedern, was von der Schwere meiner Gedanken nach all der Zeit?« Er spürte die Schatten, die aus ihren Augen loderten, wie Feuerschübe auf seiner Haut, und als sie fortfuhr, sah er die Bilder ihrer Worte auf den flammendurchwirkten Fensterscheiben um sie herum. »Was weißt du von zerbrochenen Lilien auf dem Grab eines Kindes? Was von berstenden Schädeln auf dem Grund eines Brunnens und dem Geschmack sterbender Worte auf eiskalten Lippen? Du kennst die Ewigkeit nicht, Menschenblut, du ahnst nichts von den Schrecken der Unsterblichkeit, steinernes Fleisch! Du weißt nicht, was ich bin!«
    Ihre Stimme schwoll an bei den letzten Worten, sie hob die Arme, in rasender Geschwindigkeit flackerten die Bilder auf und stoben dann als zuckende Schatten in ihre Brust. Sie legte den Kopf in den Nacken, ihr Haar schlug ihr blutige Striemen, Grim hörte das Knacken ihrer Knochen, als sie die Fäuste ballte und dann mit einem Schrei die Hände hinabriss. Die Fenster barsten hinter ihr, die Schatten zerrissen. Wie erstarrt stand sie da, ihr Haar war nichts mehr als schwarzer Nebel, doch als es still war und die Grabeskälte von Grims Kehle wich, da schaute sie ihn an. Ein dünner Schnitt lief über ihre Wange, der sich bereits wieder schloss, und ein einzelner Blutstropfen rann ihr Gesicht hinab wie eine schwarze Träne. Grim erwiderte ihren Blick, er sah den Frost, der mit vollendeter Schönheit über ihre Züge glitt und jeden Schatten darin verbarg, und für einen Moment durchzuckte ihn der Schmerz, den sie nicht mehr fühlen konnte, mit stechender Glut. Er schrak zusammen, doch sie lächelte nur.
    »Ich sehe dich an«, sagte sie, nun wieder sanft wie zuvor, als hätte sie mit ihrem Schrei jede andere Regung in sich zurückgedrängt. »Und du wärmst mich, denn du erinnerst mich an das, was ich verlor. Du wirst niemals begreifen, was das bedeutet: nicht mehr zu sein als Asche und Rauch. Du gehörst nicht auf den Grund des Meeres. Tauche auf.«
    Grim setzte sich auf, um ihr zu widersprechen, doch noch während er Atem holte, wusste er, dass jedes seiner Worte unter ihrem Blick verbrennen würde. Er kannte uralte Vampire, er war nie vor ihnen zurückgewichen – aber der Anblick Skarnaaras ließ ihn schaudern. Mühsam kam er auf die Beine. Ihr Schweigen trieb ihn vorwärts, bis er den Raum durchquert hatte, und er spürte ihren Blick in seinem Rücken, als er sich noch einmal umdrehte.
    »IchhabeEurenSchmerzgefühlt«,sagteer.»DenSchmerz,denIhrverlorenhabt.Undichwiederholeesgern:Ihrflieht,ZarinderNacht.Ichweiß,wovonichspreche,icherinneremichanmeineeigeneFlucht,jedesMal,wennichindieAugeneinesMädchensschaue,dessenLächelnmichimInnerenerschüttert,weilessovollkommenist – oderwennichüberdieWangeeinesKindesstreiche,währendesschläft,einesJungen,demicheinFreund,einBruder,einVatergewordenbin,einfachdeshalb,weileresmirerlaubthat.«Erhieltinne,denndieZarinöffnetedenMund,umetwaszusagen.DochgleichdaraufschütteltesiedenKopfundwolltesichabwenden.AberGrimentließsienichtausseinemBlick.»Esistsovielleichter,inderKältezubleiben«,fuhrerfort.»Ichweiß,wiesichdasanfühlt,undichweißumdenWeg,denIhrfürEuchgewählthabt.IchkenneseineVersuchungen.Dochbedenkteines:LetztenEndesnimmteruns,waswirbewahrenwollen.Ihrwisstdas.Mehrnoch,HerrinderNacht.Ihr … fühlt

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