Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grim

Grim

Titel: Grim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Schwartz
Vom Netzwerk:
sie, wie er ihren Kopf zur Seite neigte, irgendwo in einer anderen Welt, deren Namen sie vergessen hatte, doch als sie seine Lippen auf ihrer Haut fühlte, da ließ sie auch das Gefühl der Gier durch sich hindurchfließen, und sie spürte die Traurigkeit darin, die Verzweiflung, die Sehnsucht. Sie hielt sich daran fest, es war, als hätte sie einen der tödlichen Schatten gepackt, und er riss sie mit sich fort, immer tiefer hinab in Lyskians Finsternis, bis ein Streifen roter Glut vor ihr auftauchte. Rasch wurde er größer, Mia nahm den Duft wahr, bevor sie erkannte, worauf sie zusteuerte. Samten war dieser Geruch, schwer und melancholisch, und dann sah sie die Mohnblumen unter sich, das Feld, das bis zum Horizont reichte und darüber hinaus, und als sie darin landete, stoben Blütenblätter um sie herum auf und strichen ihr über die Wangen.
    In der Arena ging ein Ruck durch Lyskians Körper, als hätte ihm jemand ein Messer in den Rücken gestoßen, und Mia fuhr zusammen, als sich seine Finger gleich darauf umso tiefer in ihr Fleisch gruben. Sie drängte die Eiseskälte zurück, als seine Zähne ihre Haut berührten, und ging in seinen Gedanken durch das Mohnfeld. Die Blüten waren weich unter ihren Füßen, es war wie in einem düsteren Traum. Blutroter Staub wirbelte umher, er umtanzte sie in sanfter Schwere, zog sich wie ein Vorhang beiseite und gab die Sicht frei auf ein Bett aus Glas.
    Eine junge Frau lag darauf, erst auf den zweiten Blick erkannte Mia, dass sie selbst es war. Sie trug ein Kleid aus dunkelrotem Samt, ihre Haut war weiß wie Milch, und sie atmete nicht. Mit klopfendem Herzen trat sie näher und betrachtete sich selbst mit wachsendem Staunen. Wunderschön sah sie aus, die Augen geschlossen, das Haar auf hellen Kissen ausgebreitet, und sie hielt den Atem an bei der Erkenntnis, dass sie tot war. Ihre Hände wirkten feingliedriger und gleichzeitig stärker als sonst, ihre Nägel waren wie aus Glas, und ihre Haut schien so makellos, als wäre sie aus feinstem Stein geschlagen worden. Sie hatte bereits die Hand ausgestreckt, um diese Wange zu berühren, die ihr fremd und vertraut zugleich war, als ihr Ebenbild plötzlich die Augen öffnete. Die andere Mia sah sie an, reglos und mit Augen, in denen nichts mehr loderte als kaltes, aschfarbenes Feuer. Ihr Blick fuhr schmerzhaft in Mias Brust und stieß sie zurück.
    Im selben Moment spürte sie, wie Lyskian sie losließ. Sie zwang ihren Körper, ihm vor die Brust zu schlagen, und sah, wie er durch die Luft flog und am Rand des Theaters landete. Er brach zusammen, die Schatten flackerten in seinen Augen, der Rausch, der ihn gefangen gehalten hatte, sank in ihn zurück, doch als er den Blick hob und sie anschaute, da stand er ihr im Mohnfeld gegenüber, als wäre die Wirklichkeit nichts als eine Illusion – als hätte es niemals etwas anderes gegeben als dieses Feld aus roter Glut.
    Er begriff, was geschehen war, das konnte Mia sehen. Erkenntnis flutete sein Gesicht, verzerrte es für einen Moment zu einem Bild aus Entsetzen und Schmerz, und als er sie über ihr Ebenbild auf dem gläsernen Bett ansah, standen Tränen in seinen Augen. Er riss die Arme in die Luft, sein Schrei schlug Mia wie ein mächtiger Windstoß entgegen und zerbrach das gläserne Bett und ihre fremde Gestalt zu Asche. Gleichzeitig begannen die Mohnblumen zu welken, doch sie fielen nicht zu Boden, sie erhoben sich scherbengleich in die Luft, und als Lyskian verstummt war und den Kopf in den Nacken legte, rasten sie auf ihn zu. Mia wich vor ihnen zurück, aber kaum, dass sie von den Scherben getroffen wurde, verwandelten sie sich in schwarzen Staub. Lyskian hingegen verwundeten sie schwer. Sie zerrissen seine Kleidung, und dort, wo sie ihn trafen, verbrannte sein Fleisch zu Asche. Er gab keinen Laut des Schmerzes von sich, er schaute sie nur an, während tiefe Kratzer über seine Wangen liefen, und sie konnte es hören, das einzige Wort, das er zu ihr sprach.
    Flieh.
    Er neigte den Kopf und sein glasklares Lachen drang durch das brennende Feld. Sie fröstelte bei diesem Geräusch. Wieder sah sie ihn vor sich, die Gier in seinem Blick und fühlte noch einmal den Schrecken über die Erkenntnis, was er war. Etwas in ihr rief ihr zu, dass sie seine Gedanken verlassen musste, dass sie tun sollte, was er ihr riet, dass die Gefahr noch lange nicht gebannt war. Doch sie blieb. Mit jeder Scherbe, die ihn traf, spürte sie stärker den Schmerz, den er trug. Sie konnte seinen Atem an ihrer Stirn

Weitere Kostenlose Bücher