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Grim

Grim

Titel: Grim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Schwartz
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erinnerte sich an seinen halb spöttischen, halb zärtlichen Blick, als er ihr nach jedem Sturz aufgeholfen hatte, und die Erinnerung traf sie schmerzhaft. Sie ballte die Faust. Das Tor war nicht weit von ihr entfernt. Sie konnte es schaffen, sich hindurchzustehlen, und von der anderen Seite einen Sturmzauber dagegenwerfen, um es zusammenbrechen zu lassen. Sie würde sich nicht fangen lassen wie ein hilfloses Tier, auch nicht von ihm.
    Schon fühlte sie ihn hinter sich, doch ehe er ihr Haar berühren konnte, sprang sie hoch in die Luft, drehte sich um die eigene Achse, spreizte die Finger und rief die Formel, an der sie zuvor so oft gescheitert war. Drei Funken brachen aus ihrer Hand, sie bemerkte noch das Erstaunen, das Lyskians Augen flutete, und gleich darauf die Blitze, die sich in blauem Feuer entfachten und die Funken miteinander verbanden. Knisternd bildete sich ein Netz aus Feuer und Eis, das Lyskian, noch bevor er zurückweichen konnte, mit voller Wucht traf. Mia hörte, wie er gegen den steinernen Rand des Theaters krachte, doch sie sah es nicht. Außer sich vor Begeisterung kam sie auf dem Boden auf und rannte auf das Tor zu. Sie hatte es geschafft, sie hatte das verfluchte Blaue Feuer gewirkt, sie …
    Weiter kam sie nicht, denn da glitt eine glühende Kette aus Stahl direkt vor ihr aus dem Boden. Die Sandkörner, die daran abglitten, verwandelten sich in lodernde Flammen, die gierig nach ihr schnappten. Die Wucht des sich entfachenden Feuers schleuderte Mia ein ganzes Stück zurück. Sie landete auf dem Rücken, dass ihr die Luft wegblieb, und bevor die flammende Wand zu Asche zerfiel, trat Lyskian auf sie zu. Jedes Lächeln war von seinen Lippen gewichen. Ein blutiger Striemen zierte seine Wange, schnell schloss er sich, doch die Dunkelheit in seinem Blick sprach von seinem Zorn darüber, von einem Menschenkind verwundet worden zu sein.
    Eilig rappelte Mia sich auf, doch als sie sich umwandte, um zu fliehen, stand er schon vor ihr. Nun lächelte er wieder, kalt und verführerisch, und ehe sie vor ihm zurückweichen konnte, packte er sie im Nacken und zog sie zu sich heran. Mit aller Kraft schlug sie um sich, doch es war, als wäre er aus Stein. Unnachgiebig umfasste er ihren Körper, sein Atem streifte ihren Hals. Warm war er – von ihrem Blut.
    Du schmeckst wie die Sehnsucht, raunte Lyskian, und sie konnte hören, dass er lächelte, auf diese leise, leicht traurige Art, die sie immer gemocht hatte. Sie wusste, wie er sie jetzt anschaute, wusste, dass er die Augen halb geschlossen hielt, genug, um die grausame Kälte darin zu verbergen, und dass die Schatten in seinen Mundwinkeln jedem seiner Worte etwas Kindliches gaben, etwas Sanftes und beinahe Unschuldiges. Doch die Furcht griff nach diesem Eindruck und riss ihn in Stücke. Die Kälte, die nun von Lyskian ausströmte, drang mit solcher Übermacht in Mias Glieder, dass sie sich kaum noch auf den Beinen halten konnte. Jeder Versuch, ihre Magie zu rufen, war vergebens.
    Du klingst wie das Meer , fuhr er fort, während seine Finger beinahe sanft über ihren Nacken strichen. Und du riechst nach Sturm, Menschenkind. Ich kann ihn fühlen, wenn ich dich nur ansehe. Ich war ein Narr zu glauben, stark genug zu sein für diesen Duft.
    Der Griff um ihren Körper wurde fester, Lyskians Nägel gruben sich in ihr Fleisch, doch noch ehe seine Lippen ihren Hals berührten, wandte sie den Kopf und sah ihn an. Seine Augen waren nur noch zwei schwarze Spiegel, die Nacht darin schlug ihr ins Gesicht, doch sie achtete nicht darauf. Entschlossen erwiderte sie den Blick aus der Finsternis und flüsterte: Der Sturm gehorcht mir .
    Dann stürzte sie sich vor. Sie fühlte die Spiegel um sich herum zerbrechen, spürte die tiefrote Nacht, die dahinterlag, und die Schatten, die mit entfesselter Kälte nach ihr griffen. Noch nie war sie in Lyskians Gedanken gegangen, immer hatte er sie vor dem gewarnt, was sie darin finden konnte, vor der Kälte, dem Hunger, der Gier, und sie erinnerte sich daran, dass allein seine Worte immer wieder dazu geführt hatten, dass sie zurückgewichen war vor der Dunkelheit, die er in sich trug. Jede seiner Warnungen traf zu. Sie konnte sich nicht vor ihm verschließen, seine Gier brach ungehindert durch ihre sterblichen Venen, sein Hunger fuhr in ihre Eingeweide, und sein Verlangen, unstillbar und so hemmungslos, dass es ihr die Luft aus der Lunge zog, verbrannte jeden ihrer Schreie zwischen glühenden Klauen. Sie hörte ihn lachen, dumpf fühlte

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