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Grim

Grim

Titel: Grim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Schwartz
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fühlen und nahm seinen Duft wahr, diese feine Note jenseits von Blut und Verderben, die sie von Anfang an zu ihm hingezogen hatte. Langsam ging sie auf ihn zu. Sie ertrug die Verzweiflung in seinem Blick ebenso wie seinen Zorn, sie wandte sich nicht ab, nicht für einen einzigen Moment.
    Ich fühle die Angst, die du in dir trägst, sagte sie zu ihm. Sie steckt in jeder schwarzen Blume auf diesem Feld, in jedem Sturm dieses Himmels und in jedem Blick, mit dem du mich ansiehst. Du nanntest mich ein Menschenkind. Aber ich bin mehr als das, Lyskian, und ich weiß, dass es nicht die Gier ist, die deine Furcht entfacht. Sie kommt von etwas, das tiefer in dir liegt, etwas, das keine Grausamkeit verschlingen kann. Denn auch du bist mehr, als du denkst!
    Sie hatte ihn fast erreicht. Die Scherben umtosten sie, doch sie nahm sie kaum noch wahr. Alles, was sie sah, war der Ausdruck auf Lyskians Zügen, als er auf die Knie fiel, so verwundbar und sanft, dass sie schauderte.
    Ich habe dich angesehen, fuhr sie fort. Ich erinnere mich an dein Lächeln, als du mich den Zauber der Frostriesen gelehrt hast und ich ein Polarlicht am Himmel erschuf, damals, in einer warmen Sommernacht. Ich erinnere mich an den Klang deiner Stimme, als du von der Musik meines Volkes gesprochen hast, von den Sängern lang vergangener Jahrhunderte, die mit ihren Stimmen den Wind zu zähmen wussten und das Meer zum Sprechen brachten. Und ich sehe dich vor mir, wie du am Ufer des Roten Flusses stehst, die Arme halb erhoben, als könntest du deine Ahnen auf der anderen Seite hören und ihre Rufe nach dem, was du in dir trägst.
    Dicht vor ihm kniete sie sich nieder. Sein Haar strich über ihre Wange, als sie die Hand auf seine Brust legte, und als sie den Herzschlag in ihren Fingern fühlte, wusste sie für einen Moment nicht, ob es der seine war oder ihr eigener. Im selben Augenblick erstarrten die Scherben um sie herum in der Luft, sie glommen wie Sterne in der Nacht. Vorsichtig strich Mia ihm über die Wange, seine Wunden schlossen sich, als wären sie nicht mehr als schwarze Träume.
    Du bist die Sehnsucht , flüsterte sie. Und die Sehnsucht zerstört niemals. Sie bewahrt das Leben vor jeder Gefahr aus den Schatten.
    Er sah sie mit leisem Staunen an. Kaum merklich lächelte er, und als er sie an sich zog und sie den Kopf an seine Brust legte, da fühlte sie keine Furcht mehr, keine Einsamkeit, keine Verzweiflung, sondern nur dies: den Duft der Mohnblumen, die sich wieder rot verfärbten und um sie herum niederfielen, die samtene Kälte seines Körpers – und die Stille in zwei gläsernen Worten: für immer .

Kapitel 41
    Der Schwarze Diamant ließ silberne Funken über die Wände der Wachstube flackern, in der zu früheren Zeiten die Aufgänge zur Oberwelt ebenso kontrolliert wurden wie die Portale, die hinabführten ins Reich der Vampire. Grim lehnte an der Wand und sah zu, wie Samhur an dem kleinen Tisch der Stube mit den Händen über den Diamanten strich wie über einen lebendigen Körper. Remis hockte auf der Tischplatte, mit sichtlicher Spannung lauschte er den Worten des Jägers, die nun die Farbe der Funken blutrot verfärbten. Mit knisternder Kälte glitten sie über Grims Gesicht und zogen ihn näher an den Tisch heran.
    Samhurs Stimme wurde lauter, die Schwärze im Diamanten wallte auf wie sturmgepeitschte Wolken, und dann, mit einer schnellen Drehung seiner Hand, rief der Jäger die Dunkelheit zu sich. Säuselnd drang sie aus dem Kristall. Grim hörte das Flüstern in den Schatten, die sich nun um Samhurs Finger legten, dunkel und verführerisch, wie der Sturm des Phoenix gewesen war. Feine Diamantsplitter hatten sich darin verfangen, während der Kristall, der nun in gläsernem Licht erstrahlte und keine Dunkelheit mehr in sich trug, über Samhurs Hand schwebte.
    »Ein Fhar’al Ilios«, sagte der Jäger und warf Grim einen Blick zu. »Ein Weißer Diamant. Er gehört dir, ich habe keine Verwendung mehr für ihn.«
    Das Licht des Kristalls tanzte über Grims Klaue, als er ihn ergriff. Für einen Moment meinte er, das Gesicht Carvens in ihm auftauchen zu sehen, das Lächeln von Mia und den Sternenhimmel mit dem verfluchten Mond über Paris. Da holte Samhur zwei gläserne Spritzen aus seinem Mantel und zog die Schatten des Diamanten in die Kanülen. Remis’ Augen weiteten sich angesichts dieser Gegenstände in plötzlichem Entsetzen, und seine Miene nahm die Farbe akuter Seekrankheit an.
    »Keine Sorge«, murmelte Samhur. »Dieser Zauber ist

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