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Grim

Grim

Titel: Grim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Schwartz
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nicht davor, seinem Klang in die tiefste Finsternis zu folgen, in die Dunkelheit, die Grim in sich trug und die sie liebte, auch wenn sie sie niemals ganz begreifen würde. Schweigend stand sie da, fühlte, wie der Ton in ihr widerklang, und wünschte sich, dass der Moment bleiben würde, dass sie noch eine Weile so zusammen sein konnten, ohne Fragen, ohne Furcht, fast so, als wären sie für immer in Sicherheit vor sich selbst. Doch kaum, dass sie den Blick über die Dächer von Paris schweifen ließ, kehrte der Schmerz in ihre Schläfen zurück, und mit ihm stieg der Gedanke an Josi und ihre Mutter in ihr auf, die in diesen Augenblicken irgendwo in der Gewalt des Fremden waren. Die Nacht verlor ihren Schleier, die Lichter der Stadt taten Mia in den Augen weh, und während Grim sie fixierte, als könnte er ihnen das Geheimnis des Fremden entreißen, wandte Mia sich ab. Sie ließ Grims Klaue los und trat zu dem großen Schreibtisch in der finstersten Ecke des Zimmers, der wie immer mit Büchern und Pergamentrollen beladen war und auf dem Lyskians geschwungene Schrift ihre Spuren auf unzähligen Papieren hinterlassen hatte. Die Dunkelheit tat Mia gut, doch der Kopfschmerz zog mit kaltem Brennen ihre Schultern hinab und setzte einen dumpfen Schwindel hinter ihre Stirn.
    Da klangen helle Schritte über den Flur. Augenblicke später wurde die Tür geöffnet und kaum, dass Lyskian eintrat, loderte das Feuer im Kamin auf. Die Schatten zogen sich zwischen die Bücher in den Regalen zurück und kauerten sich hinter den Vorhängen zusammen wie wilde Tiere, während der Flammenschein Lyskians hochgewachsene Gestalt beleuchtete. Sein helles, fast weißes Haar fiel offen auf seinen Rücken, und in seinem Blick stand die ungezähmte Dunkelheit seines Hungers, die er in den vergangenen Stunden in Gesellschaft seines Volkes geschürt hatte. Ein Lächeln trat auf seine Lippen und legte einen Schleier auf seine Augen, der die Finsternis in sanfte Schwärze verwandelte.
    »Verzeiht, dass ich euch warten ließ«, sagte er und forderte Grim und Mia mit einer Geste auf, Platz zu nehmen. »Einige Vertreter aus Politik und Wirtschaft sind anwesend, Menschen, ihr versteht … Ich konnte mich ihrer nicht früher entledigen.«
    Grim kehrte den Lichtern der Stadt den Rücken zu, doch er blieb am Fenster stehen. »Es wird mir immer ein Rätsel bleiben, wie du es erträgst, dich mit diesen Leuten abzugeben.«
    Lyskian lächelte breiter. »Ich stelle mir vor, wie sie in meinen Armen sterben, so einfach ist das.«
    »Einige haben das bereits getan, nehme ich an«, sagte Mia und wollte an ihm vorbeigehen, doch Lyskian ergriff ihr Handgelenk und hinderte sie daran. Sie nahm seinen Duft wahr, diese samtene, melancholische Note jenseits von Blut und Verderben, aber die Kälte seiner Finger ließ sie zusammenfahren.
    »Ich habe zu wenig getrunken«, sagte er entschuldigend. »Bei einer Gesellschaft wie dieser ist es mitunter klug, einen klaren Kopf zu behalten.« Er hob ihre Hand und strich mit dem Daumen über ihre Haut. Sofort glitt ein Wärmeschauer durch ihren Arm, breitete sich wohltuend in ihrem Nacken aus und verringerte den Schmerz. Mia lächelte ein wenig. Lyskian kannte den menschlichen Körper durch und durch, und wie so oft in seiner Gegenwart wusste sie nicht, ob sie das beunruhigen oder faszinieren sollte.
    »Nun«, sagte er, als sie Platz nahmen. »Ihr seid nicht grundlos mitten in der Nacht zu mir gekommen, nehme ich an.«
    Grim nickte düster und berichtete in knappen Worten von den Vorkommnissen. »Wir haben keine Ahnung, wer hinter der Maske steckt«, schloss er. »Fest steht nur, dass der Kerl wie vom Erdboden verschluckt ist, und es ist bloß eine Frage der Zeit, bis er mit seinem Dämonenspielzeug den nächsten Nebel erschafft. Ich weiß nicht, was es mit dieser Maske auf sich hat, aber da du … «
    »… da ich mich mit dämonischen Kräften besser auskenne als jeder Gargoyle, Mensch oder Hybrid, dachtet ihr, dass ich euch helfen kann?« Lyskian griff nach Mias Skizze, und sein Lächeln wich einem Ausdruck kühler Konzentration. Nach einer Weile erhob er sich und trat zu einem der Regale. In Leder gebundene Bücher und Folianten standen darin, und während er mit dem Finger über ihre Rücken strich wie über die Tasten eines Klaviers, erklang ein Grollen aus ihrem Inneren, ein Fauchen und Ächzen, als wollten sie ihn sich vom Leib halten. Doch Lyskian kümmerte sich nicht darum und zog ein schweres schwarzes Buch mit silbernen

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