Grimes, Martha - Inspektor Jury 20 - Inspektor Jury kommt auf den Hund NEU
einen besseren, als sich unverhofft oben an die Treppe zu stellen, in dem Moment wo Harry hinunterwollte. Zu primitiv. Nein, sein Plan hatte gerade heute Morgen Gestalt angenommen.
Auf dem Schreibtisch lagen die Notizen, die für Harry hoch und heilig waren. Ständig las er sie wieder durch, redete gar bei der Lektüre laut vor sich hin, als ob ihm die Notizen antworten könnten. Harry war clever, extrem clever, aber nicht ganz so clever wie Hugh. Allerdings war er viel erfindungsreicher. Wieso konnten die Leute eigentlich nicht mit dem zufrieden sein, was sie waren? Andauernd ging Harry zum Bücherregal hinüber, um das eine oder andere von Hughs Büchern herüberzuschleppen und darüber zu brüten, während die Schreibtischlampe einen kleinen Lichtkegel auf die Seiten warf.
Als Erstes musste Mungo den silbernen Briefbeschwerer herunterstoßen, der die Papiere daran hinderte, bei einem Windstoß wild auseinanderzuflattern. Er wischte die Notizen vom Schreibtisch und sah zu, wie sich die Seiten einzeln über dem ganzen Fußboden verstreuten. Dann bellte Mungo. Als Mrs. Tobias nicht kam, bellte er noch einmal.
Da kam sie. »Was bellst du denn? Was machst du denn da auf dem Schreibtisch?« Sie kam näher und blieb abrupt stehen, als sie die Seiten überall auf dem Boden liegen sah. »Oje, oje, oje, du ungezogener Hund. Au weia, da wird er aber wütend sein!« Sie beugte sich hinunter. »Die kriege ich nie wieder in der richtigen Reihenfolge zusammen, da sind ja gar keine Seitenzahlen drauf!« Richtig.
»Das ist alles Mathematik, lauter Zeichen und Zahlen - weiß ich doch nicht, was was ist.« Richtig. Auf den Knien sammelte die arme Mrs. Tobias die Seiten wieder ein. Sie stand auf und versuchte, sie ordentlich zusammenzustellen, indem sie sie so auf dem Schreibtisch stapelte, dass alle Seiten schön auf Kante lagen. Dann legte sie den Stapel so hin, wie sie dachte, dass er vorher gelegen hatte.
Der Briefbeschwerer, der Briefbeschwerer. Mungo schob den Briefbeschwerer mit der Schnauze umher und starrte sie unverwandt an.
»Was denn jetzt? Ach ja.« Sie platzierte ihn auf dem Stapel. Dann trat sie zurück, um einen prüfenden Blick auf die Notizen zu werfen. »Sieht aus wie unberührt. Bloß dass alles durcheinander ist. Da wird er sich wundern.«
Da wird er sich wundern, dachte Mungo.
Am nächsten Morgen, als Mungo Elfchen gerade zum Kupferbecken transportierte, hörte er Mrs. Tobias aufschreien. Er setzte Elfchen mitten auf dem Teppich ab und sauste in die Küche.
»Ach, schau doch, schau doch, was ich getan hab!« Sie hielt ihre Hand fest, die heftig aus einer Schnittwunde am Daumen blutete. Mungo rannte umher und wollte helfen, wusste aber nicht, wie. In der Toilette im Erdgeschoss hatte er Verbandsmaterial gesehen. Er raste hin und entdeckte die Mullbinden auf einem kleinen Wandregal, das er aber nicht erreichen konnte. Also sprang er auf den Toilettensitz, schnappte sich das Ende des Klopapiers mit der Schnauze, sprang wieder hinunter und zog es hinter sich her in die Küche, wo er es ihr in den Schoß legte.
Seine eifrigen Bemühungen brachten Mrs. Tobias zum Lachen. »Braver Hund! Gut! Danke. Das wird vorerst reichen.« Sie wickelte es sich mehrmals um Daumen und Hand. »Das muss erst mal reichen. Ich glaube, es sieht schlimmer aus, als es ist. Ich rufe gleich Mr. Humphries an.« Mr. Humphries war Harrys Arzt. Mrs. Tobias ging hinaus zum Telefon.
Es gab ziemlich viel Blut, eine richtige Lache.
Die betrachtete Mungo. Dann stürmte er aus der Küche, raste nach oben und schnappte sich Harrys Hausschuh, einen leichten Lederschlappen. Und ging zurück in die Küche.
Mungo stellte den Schlappen in das Blut, schob die Sohle ein bisschen herum und rannte mit dem blutigen Schlappen wieder nach oben. Dann ließ er den Schlappen in Harrys Schlafzimmer auf den Fußboden fallen, drückte ihn mit der Pfote fest, nahm ihn wieder hoch, ließ ihn ein Stückchen weiter fallen, drückte ihn fest und so fort. Das Blut war überraschend ergiebig, für sechs Abdrücke reichte es.
Blutige Fußstapfen. Nicht schlecht. Die Abdrücke sahen genau so aus wie die Sohle an dem Hausschlappen. Er überlegte, ob er den zweiten Schlappen auch nehmen sollte.
Mungo blickte sich im Raum um und bemerkte die Wandleuchter im Art-Deco-Stil. Er seufzte. Ach, was gäbe er um Gaslaternen ! Mungo liebte alte Filme.
Irgendwie kamen die Dinge schon immer in Ordnung, wenn man sich in Geduld fasste.
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Hugh Gault hatte es sich im selben Sessel
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