Grimes, Martha - Mordserfolg
Mittagessen verabredet war. Er sah auf die Uhr. Er konnte es noch schaffen, aber was um alles in der Welt würde es nun noch nützen? »Ganz zu schweigen davon, dass in dem Vertrag nichts stand, wodurch wir uns locker aus der Affäre ziehen könnten.«
Bobby starrte gedankenverloren auf einen Punkt hinter Clives Schulter. Dann schüttelte er sich und sagte: »Ach, das ist das geringste Übel.«
Das geringste Übel ?
»Ist für sein neues Buch nicht bald Abgabetermin? Soweit ich mich erinnern kann, hat er noch ein paar Wochen.«
Wie zum Teufel konnte sich Bobby bloß alle diese Details merken? »Ja, ich glaube schon. Meine Güte, bei einem so wichtigen Autor wie Ned haben wir auf der Klausel aber noch nie bestanden.«
»Nein, aber wir könnten. Oder einen Teil vorab verlangen und ihn dann ablehnen. Obwohl das bei Tom auch nicht gut ankommen würde. Es gibt einen Haufen Möglichkeiten, wie ich aus einem Vertrag rauskomme, aber keine unter der Hand und keine ohne ernsthafte Auswirkungen.«
Clive überlegte einen Augenblick. »Von dem Aufschrei, den das Ganze in der Verlagswelt hervorrufen würde, ganz zu schweigen.«
»›Aufschrei‹? Glaub ich nicht. Eher schadenfrohes Gelächter. Und wir setzen unser Renommee aufs Spiel, was viel schlimmer ist. Wir sind bekannt dafür, dass wir gute Bücher verlegen, literarische Bücher, nicht Sachen im Stil von Giverney. Indem wir ihn kriegen, verlieren wir nicht einen, sondern vier«– Bobby hielt vier Finger hoch, als ob Clive nicht zählen könnte –»Autoren. Ganz zu schweigen vom besten Lektor, den wir oder den sonst jemand hat.« Bobby schüttelte den Kopf, die Handflächen vor sich gestreckt, wie um eine entsetzliche Vorstellung abzuwehren. »Nein, nein.«
»Dann sage ich ihm, er kann es sich abschminken. Immerhin haben wir gerade Dwight Staines unter Vertrag genommen.«
»Erinnern Sie mich bloß nicht daran.« Bobby kippte seinen Drink hinunter.
Bobby hasste dieses Sciencefiction-Horror-Genre, Stephen King einmal ausgenommen. Ein Büchersnob war Bobby aber seltsamerweise nicht – er würde alles lesen. Und der phänomenal populäre Dwight Staines würde derart hohe Verkaufsziffern einfahren, dass etwas so Triviales wie künstlerischer Anspruch dadurch kompensiert würde.
Clive war maßlos enttäuscht, dass der Vertrag mit Giverney einfach so in den Wind geschrieben werden sollte. Er wollte der Lektor sein, der ihn unter Vertrag nahm. Was sollte er denn jetzt seinen Lunchgefährten erzählen? »Dann werde ich Paul also sagen, es hat nicht den Hauch einer Chance.«
»Nicht den Hauch hab ich nicht gesagt!« Bobby schraubte die Flasche wieder auf.
»Aus dem, was Sie sagen, schließe ich doch, Paul Giverney unter Vertrag zu nehmen, wäre es nicht wert, weil wir dann Kidd verlieren, und Isaly, Eric Gruber…« Er hielt inne.
Bobby saß mit geschlossenen Augen da und schüttelte den Kopf. »Nein, Clive, ich habe gesagt, Vertragsbruch reicht nicht.«
»Ich bin vielleicht etwas schwer von Begriff.«
Bobby lehnte sich in seinem ergonomisch gestalteten Stuhl zurück. »Denken Sie mal nach, Clive.«
Clive runzelte die Stirn. Er fühlte, wie sich ein Migräneanfall ankündigte. »Ich verstehe nicht.«
Bobby seufzte. »Erinnern Sie sich an den Typ, der Bransoni verpfiffen hat? Wir haben damals sein Buch gemacht – hat er wahrscheinlich seinen Hund schreiben lassen. Ein paar Jahre ist das her.«
»Klar. Danny Zito. Allerdings hat er es tatsächlich selbst geschrieben.«
Bobby kippte den Rest seines Bourbon hinunter. »Wer’s glaubt, wird selig.«
Clive lächelte. »Nein, so war’s aber. Fallguy . Hat sich viel besser verkauft, als wir dachten. Wieso?«
»Na, den könnten Sie doch mal aufsuchen.«
»›Aufsuchen‹?« Clive stieß ein Lachen aus, das sich rasch in ein Würgen verwandelte. »Zito ist seit dem Prozess doch im Zeugenschutzprogramm. Sie wissen ja, wie so was läuft. Name geändert, Adresse geändert, alles geändert. Der ist so tief in der Versenkung, dass er nicht mal seinen eigenen Arsch findet.« Wie zum Teufel kam Bobby also darauf, Danny Zito ins Spiel zu bringen?
»Na, na, tun Sie einfach so, als wollten wir wieder ein Buch von Zito. So lässt sich jeder finden. Wenn Sie sich im afrikanischen Urwald verirren und rufen: ›Ich hab hier einen Buchvertrag‹, bricht bestimmt ein halbes Dutzend Leute aus dem Busch und will unterschreiben. Zu uns hätte Wiesenthal mal kommen sollen, als er Eichmann suchte. Erzählen Sie einem bloß, ein Verlag
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