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Grimes, Martha - Mordserfolg

Grimes, Martha - Mordserfolg

Titel: Grimes, Martha - Mordserfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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nicht aufhören, weil da ja der Drachenbezwinger wohnt. Und die Drachen. Die waren aber schon immer da, weißt du, ich hab das bloß kürzlich erst erzählt.« Ihr verschlagener Blick sagte : Bitte sehr, da hast du’s !
    Dafür, dass sie dieses Kaninchen aus dem Hut gezogen hatte, musste er ihr aber Lob zollen. Trotzdem fühlte er sich als Leser ein wenig betrogen. »Aber hör mal, jetzt bist du bei etwa neunzig Kapiteln und hast die Drachen kein einziges Mal erwähnt. Findest du das nicht ein bisschen unfair?«
    »Die waren doch versteckt. Bin ich doch nicht schuld, dass die sich versteckt haben. Das hätte der Drachenbezwinger sagen sollen.«
    »Was denn?«
    »Dass die Dra -chen da waren.« Sie kniff in seinen Hemdsärmel und fing an zu summen.
    »Aber Hannah, es ist doch deine Geschichte, und dann bist du auch verantwortlich dafür.«
    »Vielleicht sollten wir sie diesen Sommer nach Bread Loaf schicken.«
    Mollys Stimme. Molly stand an den Türrahmen gelehnt, einen Fußüber den anderen geschoben, die Arme über der Brust verschränkt. »Vielleicht kann Bread Loaf da helfen. Sie könnte ein paar Ratschläge von einem Lektor bekommen, hätte Gelegenheit für jede Menge Feedback und schnappt sich womöglich einen Agenten.«
    Hannah rutschte von seinem Schoß herunter und ging zu ihrer Mutter hinüber, um an ihrer Hand zu schwingen.
    »Ich hab dich gar nicht reinkommen hören, Moll. Ich wollte Hannah bloß bei ihrer Geschichte helfen.«
    Molly verdrehte die Augen. »Manche Väter lesen ihren kleinen Mädchen Geschichten vor, andere sagen ihren kleinen Mädchen, wie sie die Geschichte überhaupt schreiben sollen. Aschenputtel, deine Füße sind zu groß, so was in der Art.«
    Hannah rannte lachend durch den Flur.
    Molly sagte: »Du, deine Freunde gefallen mir.«
    Paul erschauderte etwas beklommen. »Freunde? Was denn für Freunde?«
    »Ach, da unten in der Eingangshalle. Sie sagten, sie seien sehr erfreut, meine Bekanntschaft zu machen, und ich sollte Paul – also dir – doch sagen, er soll sich aus den Angelegenheiten anderer Leute raushalten. Sie sagten, solchen Mist zu bauen sei gar nicht gesund.« Sie verlagerte sich auf die andere Türseite. »Das mit dem ›Mist bauen‹ hat mir wirklich gefallen. Wir redeten ein Weilchen über dein Buch. Was hast du denn angestellt?«
    Paul drückte sich die flache Hand gegen den Brustkorb. »Wer, ich? Nichts. Absolut nichts!«
    »Oh doch, oh doch. Ich kenn dich.« Sie machte kehrt und ging. Dann drehte sie sich noch einmal um und warf ihm eine Kusshand zu.
    Ach, Molly!
    Könnte er sie wirklich in dreißig Sekunden verlassen, wenn er merkte, dass ihm der Boden zu heiß wurde? Paul grinste.
    Vielleicht doch nicht.
    Nachdem Molly gegangen war, sah Paul das Telefon auf seinem Schreibtisch scharf an. Er überlegte kurz, nahm den Hörer ab und tippte die Nummer ein. Auf einem Meer der Ruhe dahinschwebend, sagte eine Stimme am anderen Ende der Leitung: »The Old Hotel, guten Abend.«
    »Ich möchte einen Tisch reservieren. Für morgen Abend!«
    »Wie viele Personen, Sir?«
    »Zwei, meine Frau und ich.« Er wusste auch nicht, was ihn dazu bewog, dem Hotelpersonal zu verraten, wer die andere Person war. Er hätte ebenso gut »meine Freundin/Geliebte/mein Fitnesstrainer« sagen können. Ging es das Old Hotel etwas an? Eventuell schon, dachte er.
    »Wenn Sie einen Moment warten wollen, Sir, dann sehe ich nach.«
    Paul schloss die Augen. Gleich würde das Old Hotel sagen, bedaure.
    »Ihr Name?«
    »Giverney. Paul.« Nein, jetzt . Er kniff die Augen zu und wartete auf die Ablehnung: » Tut mir Leid, Mr. Giverney, aber wir sind bis Weihnachten/Neujahr/Ostern et cetera voll ausgebucht.«
    »Ja, Sir. Wäre Ihnen neun Uhr zu spät?«
    Was war bloß los? Er schüttelte den Hörer, als wollte er diese falsche Antwort herausschütteln, diese offenkundige Lüge.
    »Äh, ja. Sehr schön. Neun Uhr.«
    Die Stimme bedankte sich und teilte ihm mit, das Old Hotel freue sich auf seinen Besuch.
    Langsam legte Paul den Hörer auf.
    Warum? Warum stand er beim Old Hotel auf einmal auf der Liste der Gesalbten?
    »Molly! Kommst du mal kurz?«
    Nach einer Weile erschien Molly in ihrem alten, zerschlissenen Morgenrock. »Was ist?«
    »Du wirst es nicht glauben.«
    »Hat es was mit dir zu tun? Wollen wir doch sehen.«
    Vielleicht war in Wirklichkeit Molly diejenige, die zugelassen wurde, dachte Paul. Doch er hatte schon früher versucht, einen Tisch für sie beide zu reservieren, und war jedes Mal gescheitert.

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