Grimes, Martha - Mordserfolg
es.
Auf dem Weg zur Tür drehte Karl sich um und fragte: »Sie kennen nicht zufällig einen Kerl, der mit Ned zu tun hat und Patrick heißt?«
Paul schüttelte den Kopf.
»Hä. Ich dachte nur.«
Sie verabschiedeten sich erneut.
47
In der Verlagsbranche breiten sich Nachrichten schnell aus. Sehr schnell. Insbesondere schlechte Nachrichten, was in der Verlagsbranche gute Nachrichten sind. Ganz gleich, ob bei Nacht, am Tag, in der Abenddämmerung oder im Morgengrauen – sie machen die Runde.
Als Bobby Mackenzie – ein paar Stunden, nachdem Ned angefahren worden war, und ein paar Stunden, nachdem eine Verlautbarung über seinen Zustand an die Öffentlichkeit kam – hörte, dass Ned Isaly Opfer eines Ach, du lieber Gott!, Unfalls mit Fahrerflucht geworden war, schnappte er sich sein Flugticket nach Australien, ließ einen Wagen kommen und schrieb seiner Frau einen Zettel (den er wohl überlegt an sein Kopfkissen heftete), in dem er ihr mitteilte, er wolle unbedingt einen Autor in Australien unter Vertrag nehmen und müsse ganz schnell dort hin. »Bye, bye. Und lass ja keinen in den Weinkeller!«
48
Was für eine merkwürdige Frage zum Abschluss. Patrick? Nachdem sie weg waren, stand Paul in der offenen Tür, kaute an einem Häutchen an seinem Daumennagel und dachte darüber nach.
Er schloss die Tür und ging zurück in sein Arbeitszimmer. Zusammengesunken hockte er in seinem Stuhl und schämte sich in Grund und Boden. Um Gottes willen, der arme Ned Isaly! Zwar hielt er den Unfall für nichts weiter als einen ganz gewöhnlichen New Yorker Unfall mit Fahrerflucht, aber trotzdem… Er hatte den Vertrag unterzeichnet, Candy und Karl hatten Ned nichts getan, Arthur mit Sicherheit auch nicht – die drei waren ja am Schauplatz des Geschehens gewesen. Und Bobby Mackenzie hatte weiß Gott nichts damit zu tun gehabt. Nicht bloß, weil es inzwischen gar keinen Grund mehr gab, Ned aus dem Weg zu räumen, Bobby hatte auch eine Heidenangst vor dem Duo, das er selbst so sorglos engagiert hatte.
Was für ein Trottel!
Was für ein Geschäft!
»Was heißt behelmt?«
Paul dachte erst, er hätte sich die Frage im Geiste gestellt, doch dann drehte er sich um und sah Hannah, die unvermittelt im Arbeitszimmer aufgetaucht war. Im Nachthemd stand sie da, eine ihrer Seiten fest an sich gepresst. Wie lange hatte sie dort schon herumgegeistert?
»Liebling, wie lange stehst du denn schon da? Du sollst doch im Bett sein! Wo –« Er unterbrach sich, als er merkte, dass er eine Frage nach der anderen stellte und die Antwort nicht abwartete. »Behelmt? Sagt man nicht so zur Kopfbedeckung eines Ritters, wenn er einen Helm zur Rüstung trägt?«
»Weiß ich doch nicht. Drum hab ich ja gefragt. Ich brauche eine Waffe für den Drachenbezwinger in den verhetzten Gärten. Ich glaube, der steckt in Schwierigkeiten.«
»Na, da würde ein Schwert doch auch reichen. Aber braucht er denn eins?«
Die Verhetzten Gärten waren an einem gewissen Punkt angekommen – und Paul nahm an, am selben Punkt wie beim Schreiben jeden Romans: dem Punkt, wo sich die klamme Befürchtung einschlich, dass er nicht gut war, dass er nicht stimmig war, und wenn doch, dass dem Schreiber partout nichts mehr einfiel. Jedenfalls entwickelten sie sich allmählich zur fast ausschließlichen Domäne des Drachenbezwingers, einer Figur, der das Wichtigste im Leben (und am Ruhm und an der Geschichte) ihre Fähigkeit war, gut mit Drachen auszukommen. Er war also kein Drachenschlächter, sondern ein Drachendompteur oder so etwas Ähnliches.
Paul streckte die Arme aus, und Hannah sauste durchs Zimmer, um sich flugs auf seinen Schoß zu setzen.
»Ich überlege«, meinte Paul, »ob du deine Geschichte vielleicht deswegen so melodramatisch gestaltest, weil du dieses Gartenhetzen nicht so aufregend findest, um damit die Aufmerksamkeit deines Lesers fesseln zu können.«
Auf ihrer kleinen Stirn bildeten sich tiefe Falten. »Mela-was?«
»Dramatisch.« Während sie sich aufgeregt damit beschäftigte, das Blatt immer wieder neu zusammenzurollen, sagte er: »Unverdiente Emotion, nennt man so was.«
Ah, das machte die ganze Sache natürlich viel deutlicher, signalisierten ihm die wackelnden kleinen Augenbrauen.
»Du hast Angst, dass man vielleicht nichts mehr über deine Gärten lesen will –«
»Nein, hab ich nicht. Ich denk mir bloß, die wollen bestimmt mehr über den Drachenbezwinger lesen. Ich schreib ja auch weiter über die verhetzten Gärten. Ich kann doch
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