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Grimm 1: Der eisige Hauch (German Edition)

Grimm 1: Der eisige Hauch (German Edition)

Titel: Grimm 1: Der eisige Hauch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Shirley
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duftendes Tuch bei sich zu haben, wenn er sich in bestimmten Stadtteilen aufhielt. Wenn man damit beschäftigt war, sich aufgrund des Geruchs nach Exkrementen, verwesendem Abfall und der immer widerlicher stinkenden Themse ständig zu übergeben, konnte man kaum seiner Pflicht nachgehen.
    Er ging um eine enge Kurve der Straße – in welcher Straße befand er sich eigentlich? – und taumelte beinahe über einen nach Gin riechenden Betrunkenen, vielleicht war es auch eine Frau, da war er sich nicht ganz sicher. Es war zwar erst fünfzehn Uhr, doch er bereute es, keine Laterne mitgenommen zu haben. Die Kohlefeuer verdunkelten den Himmel, sodass man oft nicht wusste, ob es sich um eine Regen- oder eine Aschewolke handelte. Der Kopfsteinpflasterweg war so eng und die drei- oder vierstöckigen Gebäude aus geschwärztem Ziegelstein ragten so weit darüber, dass man glauben konnte, die Sonne wäre längst untergegangen. Das einzige Licht kam von den Lampen, die schwach durch die schmutzigen Fenster hindurchschimmerten, und gelegentlich drang ein gedämpfter Sonnenstrahl durch die Wolkendecke nach unten.
    „
Biegt da um die Ecke, Herr
“, hatte der alte Zuhälter gesagt. „
Geht weiter und immer weiter, bis Euer Herz aufhört zu schlagen, dann kommt Ihr zum Gebiet des Sackmachers. Möge Gott Euch beistehen
.“
    David fragte sich, ob er sich mit der halben Krone tatsächlich den richtigen Weg erkauft hatte oder ob der alte Zuhälter jetzt lauthals lachend mit seinen Freunden bei einem Bier in seiner schäbigen Schenke saß. „
Oh, keine Ahnung, was Euch am Ende dieser stinkenden Gasse erwartet! Ich weiß es wirklich nicht!

    Dann kam er zu einem kleinen Gemeinschaftsplatz zwischen den Häusern, jedoch nicht wirklich einem Hof, vielmehr wurde die Gasse hier ein wenig breiter. An dieser Stelle gab es auch mehr Licht und Luft.
    Fünfzehn lange Schritte über das Kopfsteinpflaster entfernt war die streifige Rückseite eines Hauses zu erkennen, an der ein alter Mann und eine junge Frau auf der Hintertreppe vor einer rissigen Holztür saßen. Bei dem Mann handelte es sich um einen zahnlosen fahrenden Obst- und Gemüsehändler mit einem zerknautschten Hut, der seinen Korb neben sich auf den Boden gestellt hatte, und die ungewaschen wirkende Frau trug ein schmutzig-graues Mieder mit dazu passendem Rock, der früher vielleicht mal gelb gewesen war, sowie seltsame Holzsandalen. Sie hatte ihr schwarzes Haar auf dem Kopf aufgetürmt und mit kleinen Holznadeln befestigt, und überall standen Strähnen heraus. Aber es war ihr schlanker Körper, der ihm als Erstes auffiel, und dann noch etwas anderes – ihre Augen. Sie waren dunkelbraun und mandelförmig wie bei einer Asiatin, was man in London nur selten sah.
    Sie sah ihn mit ausdruckslosem Blick an. In ihren schmalen Händen hielt sie eine Ginflasche aus Steingut, die nicht besonders gekennzeichnet war. David merkte, dass er ihre Finger anstarrte, da sie ungewöhnlich lange Fingernägel hatte. Sie reichte dem zahnlosen Händler die Ginflasche, der David musterte und ein krächzendes Geräusch von sich gab, das möglicherweise eine Einladung war, ihm die in seinem Korb verstauten Waren abzukaufen.
    Lächelnd schüttelte David den Kopf und sah den alten Mann an.
    „Wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf“, meinte David und lächelte die junge Dame noch etwas breiter an. „Sie, Madame, sind bei Weitem …“
    Aber der alte Mann unterbrach ihn und stieß ein raues, kehliges Geräusch aus, das wohl ein Lachen darstellen sollte.
    „
Wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf! Ha, bei der darf man sich eine ganze Menge erlauben!

    Das Mädchen lachte auf und stieß den alten Mann mit dem Ellenbogen an.
    „Hört nicht auf ihn, Sir“, meinte sie zu David. Sie hatte einen leichten Akzent, den er nicht einordnen konnte. „Ich mag vielleicht launisch sein, aber ich mag keine Verwegenheit, zumindest nicht bei jedem.“
    „Ich … Freut mich, das zu hören“, erwiderte David. „Darf ich fragen, woher …?“
    „Ich komme aus Japan, Sir“, antwortete sie. Ihre Stimme war hoch und trällernd. Sie trug einen roten Lippenstift, der es so wirken ließ, als würde sie ständig schmollen. Mehr Schminke konnte er an ihr allerdings nicht entdecken.
    Der alte Händler krächzte noch etwas anderes, das ebenso unverständlich war. Nachdem David über die Bemerkung nachgedacht hatte, glaubte er, der Mann habe etwas darüber gesagt, dass die junge Frau „an die fünf Jahre oder länger“

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