Grimm 1: Der eisige Hauch (German Edition)
ein, als er durch die Tür und ins Innere des schummrigen Gasthauses trat. Rußgeschwärzte Dachbalken ließen die ohnehin schon niedrige Decke nur noch gedrungener wirken. Eine schiefe Bar stand am anderen Ende des schmalen Raums. Mehrere tätowierte, sonnenverbrannte Männer, die ihr Haar in lange, schmierige geflochtene Zöpfe gebunden hatten, sahen von ihrem Tisch auf, an dem sie ein Messerspiel spielten. Auf David machten sie den Eindruck, sie seien arbeitslose Seeleute der Navy. Einer von ihnen warf Akemi einen gierigen Blick zu und zog seine Tonpfeife aus dem Mund, um ihr etwas Unanständiges zuzurufen, wobei ihm der Tabakrauch aus dem Mund quoll.
„Ich habe einen Gentleman“, antwortete sie schlicht und ging an dem Seemann vorbei.
Peinlich berührt folgte ihr David zur Bar.
„Ich denke nicht, dass wir den Eindruck erwecken sollten, wir würden … ah … nun ja … Vergessen Sie’s.“
Die Barfrau war eine vollbusige Irin mit rotem Gesicht und einem Glasauge.
„Wenn ihr ein Zimmer wollt, das kostet zwei Schillinge im Voraus“, sagte sie.
Akemi warf David einen erwartungsvollen Blick zu.
Er schluckte den Protest herunter, der ihm bereits auf der Zunge lag. Sein Onkel hatte ihn gewarnt, dass man bei der Arbeit auf Tarnung zurückgreifen musste, „
sowohl was das Aussehen als auch die Absichten betrifft
.“ Daher holte David die Münzen aus der Tasche und legte sie auf die klebrige Bar. Als er sich wieder zu Akemi umdrehte, ging sie bereits die schmale, gewundene Treppe neben der Bar nach oben.
David folgte ihr und spürte ein seltsames, warnendes Flattern in der Brust. Er griff in seinen Gürtel, um sich zu vergewissern, dass sich seine kleine geladene Pistole noch immer dort befand.
Nur ein Schuss … Hoffentlich sind es nicht mehrere
…
Er runzelte die Stirn. Sein Onkel hatte ihm geraten, stets auf seine Grimminstinkte zu achten. Doch das war gewiss nur seine eigene Furcht, die ihm etwas einreden wollte, und keine Grimm-schen Einblicke …
Als er in dem engen Flur ankam, blieb er stehen, denn das Mädchen war verschwunden.
Er schluckte schwer und fragte sich, warum sein Mund auf einmal so trocken war. Dann machte er noch ein paar Schritte und stellte fest, dass eine Tür auf der linken Seite offen stand.
Sie wartete im Zimmer und saß auf dem Bett, dessen Bettdecke gerade mal breit genug für eine, aber nicht für zwei Personen war. Am Fuß des Bettes stand ein Nachttopf. Vor dem Fenster hing ein Vorhang, ansonsten war das Zimmer leer.
Er betrat den Raum, ließ die Tür jedoch offen.
„Miss … Madame … Vielleicht haben Sie mich falsch verstanden …“ Er räusperte sich. „Ich bin nicht wegen Ihrer … Ihrer Dienste hier. Möglicherweise dachten Sie, ich hätte meine Nachforschungen nur vorgeschoben. Sie sagten, Sie würden ein Mädchen kennen, das ihn gekannt hat. Ich bin wirklich auf der Suche nach Informationen über Mr. Perdue und sein …“
„Sein Ableben?“ Sie ließ sich rückwärts aufs Bett sinken und stützte sich mit einer Hand ab, während sie mit der anderen in ihren Haaren herumspielte.
„Ja.“
„Genau das biete ich Ihnen an. Sie können erfahren, was Sie wissen wollen. Ich bin das Mädchen, das ich erwähnt hatte. Ich war bei dem Gentleman, als er gestorben ist.“
„Ist dem so?“ Er knöpfte seinen Mantel auf und legte wie beiläufig eine Hand auf den Griff seiner Pistole. „Und wer hat ihn ermordet?“
„Er wurde ermordet von einem …“ Sie sagte ein japanisches Wort. Es klang wie „Jorogumo“.
„Ist das ein Name?“
„Nein, das ist das
Wesen
einer Person. Ich werde Ihnen mehr erzählen, aber nur, wenn Sie näher kommen.“
„Ich … Sie haben mir eigentlich schon ziemlich viel erzählt. Ich werde Ihnen noch eine Krone geben, und dann könnten wir wieder nach unten gehen und …“
„Sie können mich später bezahlen. Sie werden mir alles geben, was Sie haben, und das bereitwillig …“
„… ein Glas Wein trinken … und uns unterhalten …“
Seine Worte schienen auf seinen Lippen zu verpuffen und sich aufzulösen, bevor er sie aussprechen konnte.
Das lag an ihren Augen. Er konnte den Blick nicht von ihnen abwenden. Sie waren so dunkel geworden. Sie glänzten und zogen ihn an.
Irgendwie hatte er auf einmal das Zimmer durchquert und sie in die Arme genommen.
Sie küssten sich. Ein seltsamer Geruch drang aus ihrem Mund, aber das war ihm egal. Sie war eine Quelle der Ekstase, die Berührung ihrer Lippen, ihrer Schultern
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