Grimm 2: Die Schlachtbank (German Edition)
zurückzuziehen.
„Nein, Monroe!“, erwiderte Decker wütend. „Das ist doch ein Witz, oder? Eine Realityshow. Wo sind die versteckten Kameras? Sag schon, wo sind sie? Mir ist völlig klar, dass wir gerade beobachtet werden und sich die Leute über uns kaputt lachen.“
„Sir, Sie müssen jetzt gehen“, sagte die Kursleiterin. „Sofort.“
„Okay, Sensei Wassertänzer“, entgegnete Decker und salutierte spöttisch, um dann auf den Ausgang zuzumarschieren. „Sehen Sie mir gut zu, wie ich hier rausgehe …“ Die letzten beiden Worte zog er übertrieben in die Länge. „… in Zeitlupe.“
Monroe lief in normalem Tempo hinter ihm her.
„Da ist er gerade mal vierundzwanzig Stunden von seinen Medikamenten runter, und dann
so was
.“ Nach hinten gewandt: „Ich hab dich gewarnt. ‚Setz sie nicht ab!‘, hab ich gesagt. ‚Mach keinen harten Entzug.‘“ Dann, an die anderen gewandt: „Das tut mir schrecklich leid. Ich entschuldige mich aufrichtig dafür. Vergessen Sie einfach, dass es jemals passiert ist.“
Zwei Hausverbote in zwei Tagen
. Monroe schäumte, als er auf den Parkplatz kam.
Wenn das so weitergeht, muss ich Portland verlassen, noch bevor die Woche um ist
.
Nick traf Dr. Harper im Leichenschauhaus des gerichtsmedizinischen Gebäudes an. Sie trug wie üblich ihren weißen Laborkittel und hatte die roten Haare hochgesteckt. Ungewöhnlich war jedoch, dass sich auf den Tischen aus rostfreiem Stahl Skelette anstatt abgedeckter Leichen befanden.
Obwohl die Skelette zerstückelt aufgefunden worden waren und man die langen Knochen sogar noch zerteilt hatte, waren sie nun in der richtigen Anordnung sortiert und ausgerichtet worden. So konnte die Gerichtsmedizinerin feststellen, ob Knochen fehlten, und eine vermeintliche Todesursache diagnostizieren. Aber es sah dennoch unheimlich aus und erinnerte Nick an die Skelettarmee, die in Ray Harryhausens Stop-Motion-Film
Jason und die Argonauten
zum Leben erweckt worden war. Er schüttelte dieses merkwürdige Gefühl ab. Diese Skelette sollten anständig begraben werden. Vorher würden sie ihnen allerdings noch einige Hinweise geben, mit deren Hilfe Nick hoffentlich ihren Killer überführen konnte.
Dr. Harper führte ihn zu einem Computerbildschirm, der am anderen Ende des Raumes stand.
„Was haben Sie für mich?“, erkundigte sich Nick.
„Sie wissen ja bereits, dass die Knochen gekocht wurden“, sagte sie, und er nickte, auch wenn das eigentlich keine Frage gewesen war. „Sie wurden so lange gekocht, bis das restliche Fleisch abgefallen ist.“
„Das restliche Fleisch?“
„Das, was bei dem manuellen Entfernen hängen geblieben ist.“
„Der Mörder hat das Fleisch von den Knochen geschabt?“
„Er hat die Knochen erst abgeschabt und dann ausgekocht“, bestätigte sie. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass er mit einem Hackmesser gearbeitet hat. Es sind sehr saubere Brüche.“
Sie klickte mit der Maus und rief einige vergrößerte Fotos von den zerhackten Knochen auf, um dann noch weiter an die Bruchstellen heranzuzoomen.
„Ein Schlag, direkt durch Fleisch und Knochen, kein Splittern bei einem zweiten Versuch“, sagte sie und klang auf professionelle Weise beeindruckt. „Mit ziemlicher Kraft ausgeführt.“
Sie rief ein anderes Bild auf.
„Aber da ich inzwischen Zeit hatte, um die Knochen genauer zu untersuchen – und mehr Knochen zur Verfügung habe –, sind mir einige Sägespuren an der Wirbelsäule aufgefallen, die sich auch durch mehrere Rippen ziehen.“ Sie deutete mit dem Zeigefinger auf den Bildschirm und die Markierungen an den Rippenknochen. „Ich konnte sie einer gewöhnlichen Fleischsäge zuordnen, wie sie von Metzgern benutzt wird.“
Sie sah ihn erwartungsvoll an. „Ein Hackmesser, eine Fleischsäge, gekochte Knochen. Wissen Sie, worauf das meiner Meinung nach hinausläuft?“
Das tat er allerdings. Er hatte schon mit Monroe über
Wesen
gesprochen, die gern Menschenfleisch aßen. Nach allem, was er als Grimm bisher erlebt hatte, lag die Schlussfolgerung nicht allzu fern. Da die Gerichtsmedizinerin jetzt zu dieser Erkenntnis gekommen war, würde es bald das ganze Polizeirevier wissen, und dann dauerte es erfahrungsgemäß nicht mehr lange, die es an die Presse durchsickerte und die Außenwelt davon erfuhr. Das würde eine Grimm-Lösung des ganzen Problems allerdings deutlich erschweren.
Er seufzte resigniert. „Wir haben es mit einem Kannibalen zu tun.“
Ihr Blick wanderte vielsagend über die ganzen
Weitere Kostenlose Bücher