Grimm 2: Die Schlachtbank (German Edition)
zur Seite genommen und bekamen eine Mitgliedschaft in der Gemeinschaft angeboten.
Nachdem der Koch die Servierplatten von seinem Wagen auf die Tische gestellt hatte und wieder in der Küche verschwunden war, stand der Gastgeber auf und hob die Hände, um die Aufmerksamkeit seiner Gäste zu erregen und die Völlerei kurz zu unterbrechen.
Er war ein großer, distinguiert aussehender Mann von Mitte sechzig mit schneeweißem, vollem Haar und dazu passendem Vollbart. Er trug einen schwarzen Smoking mit hellblauer Fliege, die zu seinen glitzernden, amüsierten Augen passte. Als Mitglied der Gesellschaft in der zehnten Generation hatte er seine erste Einladung, den Gastgeber zu spielen, nur zu gern angenommen. Die Mitglieder kannten ihn als Graham Widmark, auch wenn ihn niemand während seiner Zeit als Gastgeber so ansprechen würde.
„Ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit, meine Damen und Herren der Tafelsilbergesellschaft und Gäste des
Leeren Stuhls
“, sagte Widmark mit seiner donnernden Stimme. „Wir haben heute Abend noch einen späten Gast, den Sohn eines kürzlich verstorbenen Mitglieds, der seine Mitgliedschaft am heutigen Abend offiziell beginnen möchte. Seine Familie ist seit sieben Generationen Teil unserer elitären Gruppe.“ Er deutete mit dem rechten Arm über die Menge und streckte die Hand aus. „Bitte begrüßen Sie mit mir unser jüngstes Mitglied der Tafelsilbergesellschaft!“
Aus der Mitte der Versammelten trat ein Junge hervor und stellte sich neben Widmark.
Er wurde mit Applaus begrüßt.
Mit einem nervösen Lächeln im Gesicht winkte er den Anwesenden unbeholfen zu und schien sich im Zentrum der Aufmerksamkeit nicht besonders wohl zu fühlen. Dann sah er zu Boden und hakte die Daumen in die Gesäßtaschen seiner Jeans.
„Herzlich willkommen, mein Junge“, sagte Widmark und legte dem Jungen einen Arm um die Schultern. „Schön, dass du da bist!“
„Danke“, erwiderte Kurt Crawford.
K APITEL A CHTUNDZWANZIG
„Da räumt jemand hinter sich auf“, hatte Hank gesagt, als sie zu der Gasse fuhren, in der Ray Swartley ein für alle Mal zum Schweigen gebracht worden war.
„Uns läuft die Zeit davon“, hatte Nick erwidert. „Und uns gehen die Spuren aus.“
Nick hatte auf dem Revier angerufen und Ron Swartley aus der Zelle zum Verhör holen lassen. Jetzt standen die beiden Detectives vor dem Verhörraum. Hank stützte sich auf seine Krücken und Nick sah sich das Foto an, das den Tatort zeigte. Rays Kopf, seine Schultern und das Einschussloch in seinem Hals waren deutlich zu erkennen. Sie wollten es seinem Bruder vorlegen, um ihm Angst einzujagen.
„Dem Täter war völlig egal, dass wir Ray identifizieren können“, meinte Nick. Er deutete mit dem Kinn auf die geschlossene Tür. „Ist das ein Fehler?“
„Meinst du, der Killer will, dass Ron von dem Anschlag auf seinen Bruder erfährt?“
Nick nickte. „Das ist eine deutliche Botschaft: Halt den Mund.“
„Oder auch nicht“, erwiderte Hank. „Du hast es selbst gesagt: Uns gehen die Spuren aus. Ron redet so oder so nicht. Wenn er das Foto sieht, denkt er vielleicht anders und will unseren Schutz. Den wir ihm anbieten können, falls er mit uns kooperiert.“
Da sie keine anderen Optionen hatten, betraten sie den Verhörraum.
Ron saß auf der anderen Seite des Metalltischs, und seine Handschellen waren mit einer Kette an einem in die Tischplatte eingelassenen Balken befestigt. Auch wenn er nicht den beeindruckenden Körperbau eines
Mordstiers
hatte und eher mürrisch und resigniert als aggressiv wirkte, wussten sie doch nicht, wie er auf den Tod seines Bruders reagieren würde. Die Handschellen sollten den
Nagerstein
aber nicht nur zurückhalten, sondern ihn auch daran erinnern, dass er hilflos war, damit dieses Gefühl, wenn auch nur unterbewusst, seine Nervosität weiter steigerte. Wenn er glaubte, keinen anderen Ausweg mehr zu haben, verriet ihnen Ron vielleicht eher, was sie wissen wollten.
Hank blieb auf seine Krücken gestützt stehen und setzte sich nicht wie Nick dem Gefangenen gegenüber hin. Nick starrte Ron an, der nervös den Kopf einzog, um sein mit Bartstoppeln bedecktes Kinn an seinen Fingerknöcheln zu reiben.
„Ich habe schlechte Neuigkeiten, Ron“, begann Nick und hielt das Foto so in der Hand, dass Swartley es nicht sehen konnte. „Über Ihren Bruder.“
„Über Ray? Was ist mit ihm?“
Hank beugte sich vor. „Jemand fand, dass er mit einem Loch im Hals besser aussehen würde.“
„Was?“ Ron
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