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Grimm - Roman

Titel: Grimm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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Mutter sein.«
    Vesper schüttelte den Kopf.
    Das war Irrsinn.
    Wurde sie verrückt? Fühlte es sich so an, wenn man den Verstand verlor?
    Sie dachte an die Zeitungsmeldung.
    Wölfe an der Spree?
    Und an die Warnung ihres Vaters.
    Hüte dich vor den Wölfen.
    »Die Zeit ist um«, knurrte der Wolf und setzte zum Sprung an.
    Vespers Hände suchten instinktiv ihren Weg in die Taschen ihrer Lederjacke. Während sie darin herumkramte, wich sie weiter nach hinten zurück. Wolf und Margo-Ding folgten ihr. Schließlich hielt sie ihr Deo-Spray in den Händen, eine kleine Dose.
    Das große Tier knurrte belustigt. »Die wird dir nicht helfen.«
    Sie sah dem bösen Wolf in die stechenden Augen, während ihre andere Hand wie mechanisch das Feuerzeug anzündete.
    Der Wolf stieß sich vom Boden ab. Ein tiefes Grollen entrang sich seiner Kehle, und die weißen Zähne blitzten auf.

    Vesper hielt das Deo-Spray hinter das Feuerzeug und sprühte eine Ladung Lavendelduft mitten in die Flamme hinein.
    Sofort züngelte eine große Stichflamme nach dem nahenden Ungetüm und traf es zwischen den Augen und an der Schnauze. Vesper wich zur Seite aus, und der Wolf stürzte an ihr vorbei. Die Kreatur heulte laut auf und rollte sich auf dem Boden hin und her. Ohne Zeit zu vergeuden, trat Vesper auf den Wolf zu und sprühte erneut in die Flamme. Das zottige Fell brannte jetzt an einigen Stellen, und es roch nach verkohltem Fleisch.
    Der Wolf heulte, und aller Zorn der Welt wehte in diesem Heulen durch das einsame Haus.
    Vesper wartete nicht ab, was als Nächstes passieren würde.
    Sie richtete Flamme und Spray auf das Margo-Ding und setzte es in Brand. Das Ergebnis erstaunte sie selbst am meisten. Hatte der Wolf erst langsam zu brennen begonnen, so entzündete sich das Margo-Ding lichterloh, sobald die erste Flamme es berührt hatte. Die Kleider schälten sich ihm von der Haut, und es sah aus, als seien es gar keine richtigen Kleider, sondern nur ein Teil der Illusion, die dieses Wesen war. Grüne Flüssigkeit, die wie Pflanzensaft aussah, lief aus den Wunden, wenn die Flammen die Haut aufplatzen ließen.
    Das Wesen kreischte wie am Spieß und schlug sich mit den Händen gegen den Kopf, von dem Teile abbrachen. Das Margo-Ding brannte ab wie eine trockene Pflanze und wankte dabei durch den Salon, stieß gegen den Flügel,
torkelte weiter zum Fenster, wo es sich in den Vorhängen verfing.
    Vesper rannte zum Flügel, griff blindlings nach der Flasche Cognac und zerschlug sie an dem harten Holz. Den abgebrochenen Flaschenhals in der Hand, sprang sie zögerlich vor und stieß dem winselnden Wolf die zackige Flasche ins brennende Gesicht.
    Der große Wolfskopf zuckte zur Seite, und mit der kräftigen Schnauze riss er ihr den Flaschenhals aus der Hand.
    Vesper fluchte.
    Der Wolf heulte wütend auf.
    Die langen Vorhänge, in denen sich das Margo-Ding verheddert hatte, fingen augenblicklich Feuer, das gierig nach allem leckte, was brennbar war. Die winzigen Flammen krochen über die Tapete, Funken stoben hinab zu den Sesseln.
    Vesper rannte aus dem Raum.
    Sie musste fort von hier, so schnell es ging. Sie hatte keine Ahnung, ob sie den Wolf außer Gefecht gesetzt hatte, und sie wollte nicht abwarten, bis sie eine Antwort auf diese Frage erhalten würde.
    Also rannte sie.
    Die Korridore erschienen ihr lang und endlos, glichen den Bildern, die einem normalerweise nur in Albträumen begegneten. Vesper hatte das klamme Gefühl, dass sie, je schneller sie lief, umso langsamer vorankam. Die Räume dehnten sich in die Ferne, natürlich nur in ihrer Vorstellung, das hoffte sie, und nach Sekunden, die ihr wie zäh
verrinnende Stunden vorkamen, erreichte sie endlich das Treppenhaus. Sie nahm mehrere Stufen auf einmal, stolperte, stürzte.
    »Mist«, fluchte sie.
    Rappelte sich auf.
    Die Hüfte und das rechte Bein schmerzten, doch das ignorierte sie. Alles, was jetzt wichtig war, lag vor ihr. Die Tür nach draußen, der Kiesweg, hinaus in die Stadt. Sie musste dorthin, wo Menschen waren.
    Von weiter oben hörte sie ein wütendes Heulen.
    Es kam näher.
    Schauerlich hallte es durch die Korridore.
    Der böse Wolf, dachte sie, meine Güte, der böse Wolf ist hinter mir her, ist das denn zu glauben?!
    Vesper stürmte zur Tür, riss sie auf, stolperte nach draußen.
    Da!
    Wieder das laute Wolfsgeheul.
    Die Bestie näherte sich schnell, und bang fragte sich Vesper, ob sie dem Wolf überhaupt würde davonlaufen können.
    Sie bebte vor Angst, lief mit offener Jacke

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