Grimm - Roman
Innere des Wagens und nahm auf dem Fahrersitz Platz. Vesper hörte die Türen zuschlagen, noch ganz benommen, und während die Geräusche
vom Strand verschwanden, ließ sie sich in den Sitz sinken, der weich und bequem war. Sie lauschte den leise und ruhig schnurrenden Lauten des Motors und der Stimme Leanders, der noch immer redete. Es roch nach warmem Leder und Sauberkeit und einem Geheimnis, das im Augenblick noch geheim bleiben wollte. Und als sie den Elbstrand verließen, fand sie endlich die Kraft, wieder ruhig zu atmen.
Im Vergleich zu der Ente war der Range Rover riesig. Alles roch neu und nach Leder.
»Sie folgen uns nicht«, stellte Leander nach einigen nervösen Blicken in den Rückspiegel fest. »Sieht zumindest so aus.« Seine langen, rastlosen Finger hielten das elegante und sportlich schwarze Lenkrad fest umklammert, und seine Blicke wanderten zwischen der Straße und den Spiegeln hin und her.
Zur Sicherheit schaute Vesper sich ebenfalls um.
Nichts.
Sie konnte es nicht fassen, dass sie davongekommen waren.
Du mutige Prinzessin!
So viele Verfolger waren es gewesen. Ihre Gedanken schlugen Purzelbäume, unentwegt.
»Fahr vorsichtig«, sagte sie leise.
Sie rasten durch den leise fallenden Schnee, verließen den Strandweg, folgten der Hauptstraße. Die kleinen Häuser mit ihren Reetdächern flogen nur so an ihnen vorbei,
und einige der Passanten sahen ihnen missbilligend hinterher. Ein Ort wie Blankenese war dieses Tempo nicht gewöhnt. Hier gab es normalerweise keine lautstark und gequält quietschenden Bremsen, keine aufheulenden Motoren, ebenso wenig wie aggressiv klingendes Hupen und die Neigung, rote Ampeln mit hohem Tempo zu überfahren.
»Keine Angst, ich kann das schon.«
Sie lehnte sich kurz zurück.
Seufzte angespannt.
Ihre Hände waren in den Sitz gekrallt.
Und während Leander den Rover fuhr und sich mit flinken Fingern mit den diversen Funktionen vertraut machte, indem er wahllos Tasten und Knöpfe drückte und abwartete, was geschah, untersuchte Vesper das Innere des Wagens. Irgendwo, dachte sie, musste sich doch ein Hinweis auf ihren Retter, wer auch immer er war, finden.
Doch weit gefehlt.
Da war nichts, was wenigstens eine Andeutung im Hinblick auf die Identität ihres geheimnisvollen Wohltäters hätte geben können.
Auf dem Boden zu ihren Füßen lagen zwei Tageszeitungen, in denen die Artikel über die seltsame Schlafkrankheit der Kinder aufgeschlagen waren. Das Handschuhfach gähnte sie einfach nur leer an, und auch hinter den beiden Sonnenschutzklappen vorn an der hohen Windschutzscheibe fanden sich weder Fahrzeugpapiere noch andere Hinweise.
»Immerhin hat er uns einen tollen Wagen überlassen«, stellte Vesper fest und klappte das Handschuhfach zu.
»Ich habe die Ente gemocht.« Leander seufzte theatralisch auf, drückte einige Tasten am Navigationsgerät und deaktivierte es sogleich. »Außerdem habe ich jetzt ein Problem. Die Ente war nur geliehen.«
»Wer verleiht eine so alte Ente?« Das Ding war zwar schön gewesen, letzten Endes aber nur Blech und Rost, zusammengehalten von gelbem Lack.
»Studenten«, gab er zur Antwort.
Sie stellte keine weiteren Fragen, lehnte sich in dem bequemen Sitz zurück und hoffte, dass der Fremde wusste, wie er mit den Wolfswesen umzugehen hatte. Er hatte sehr selbstsicher gewirkt, irgendwie alt und erfahren, dennoch trainiert und zu allem bereit. Etwas war in seinen Augen aufgeblitzt, etwas Tieftrauriges, Verlorenes, das Vesper nicht zu deuten vermocht hatte. Der lange graue Mantel mit den Knöpfen hatte ihn militärisch aussehen lassen - aber eher so, wie Militärs in den alten Filmen aussahen. Ein Offizier womöglich, doch vielleicht hatte er auch nur einen alten Mantel aus einem Secondhandladen erstanden. Am Ende blieb alles reine Spekulation.
»Ich bin sicher, dass er uns finden wird, wenn er uns finden möchte«, sagte Leander.
Das glaubte Vesper auch. Die Frage war nur, ob sie sich wirklich von ihm finden lassen wollte .
»Lassen wir uns doch einfach überraschen«, schlug Leander vor und drückte einen Knopf, der die Rückenlehne
seines Sitzes automatisch nach hinten kippen ließ. »So was, so was«, murmelte er und ließ den Sitz wieder in die alte Stellung zurückschnappen.
»Achte auf die Straße«, schlug Vesper vor.
»Zu Befehl«, sagte Leander und gab erneut Gas, ließ den Wagen über eine Kreuzung fliegen, lächelte, als eine Radarfalle sie blitzte, fuhr dann weiter und wurde
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