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Grimm - Roman

Titel: Grimm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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wusste, dass er die Antwort nicht hören wollte.
    Er schnappte nach Luft. »Okay, okay, okay.«
    »Er sagte etwas über deinen Bruder.«
    Leander atmete tief, tief durch. »Er lebt also doch noch.« Es war, als könne er es nicht fassen.
    Sie hörten die Bremsen des Range Rover quietschen.
    Dann griffen die Wolfsschemen an.
    Die Frau mit der grünen Jacke, die vorhin noch mit ihrem Freund auf dem Gehweg geknutscht hatte, sprang auf Vesper zu, doch Leander warf sich zwischen die beiden.

    Der Schwung des Wolfsschemens, der unter der Haut der Frau die Lefzen hochzog, riss ihn von den Beinen. Gemeinsam mit dem Wesen stürzte er in den Sand.
    Schnell rollte er sich zur Seite, zog den Säbel und verteidigte sich ungelenk. Er brachte der Frau eine Schnittwunde am Arm bei, und die Kreatur schrie gellend auf, wälzte sich wie in Qualen auf dem Boden umher. Dann schlug Leander ihr auf den Kopf, und sie kippte bewusstlos zur Seite.
    Der Wolfsschemen verließ augenblicklich den Körper der jungen Frau und stand knurrend auf dem Schneestrand. Die Nackenhaare sträubten sich ihm, doch er wirkte unsicher.
    Nein, unscharf, dachte Vesper.
    Irgendwie kraftlos.
    Sie brauchen die Körper, damit sie uns angreifen können, dachte Vesper. Ja, nur so ergab es einen Sinn.
    Der Wolfsschemen rannte über den Strand, dorthin, wo die Schaulustigen standen. Keiner von ihnen schien den Schemen zu sehen, doch als er einen kahlrasierten Teenager aus ihrer Mitte ansprang und in ihn hineinfuhr, da bemerkten selbst die Nachlässigsten unter ihnen, dass etwas nicht stimmte. Der Junge, der kaum älter als Vesper sein mochte und eine Lederjacke mit vielen Nieten trug, kauerte plötzlich auf allen vieren da inmitten der anderen Passanten, knurrte tief und guttural, und das löste letztendlich spontan eine Panik aus, die die Menschenansammlung auflöste.
    »So funktioniert es also auch nicht«, murmelte Vesper.

    Leander stand jetzt mit dem Rücken zur Ente.
    Vesper dicht neben ihm.
    Ein weiterer Wolfsschemen - diesmal die alte Dame - wollte sich auf Vesper stürzen, als Leander einen roten Apfel aus der Manteltasche zog und ihn mit aller Kraft warf. Die alte Dame mit den Reißzähnen hinter ihrem eigenen Gebiss wurde zwischen den Augen getroffen und sackte, die orangegelben Augen verdrehend, in sich zusammen.
    »Treffer!«, freute sich Leander.
    Der pechschwarze Range Rover mit der seltsamen Kühlerabdeckung hielt direkt auf den frisch verschmolzenen Teenager-Wolfsschemen zu, bremste unsanft ab, wobei er den Teenager so hart streifte, dass er mit Schwung zur Seite geschleudert wurde. Sofort verließ der Wolfsschemen den Körper des Jungen.
    »Wer ist das denn nun schon wieder?«, wollte Vesper wissen.
    Leander indes starrte nur nach oben.
    Die Tür des Wagens öffnete sich, und ein Mann in einem langen grauen Mantel entstieg dem Inneren. Vesper erkannte die silbernen Knöpfe und die Farbe des Mantels wieder.
    Der geheimnisvolle Mann, der ihr während der vergangenen beiden Tage gefolgt war!
    Sogar die Wolfsschemen hielten inne.
    »Wer sind Sie?«, fragte Leander.
    »Ich bin einer von den Guten«, antwortete der Mann, zeigte ein jungenhaftes Grinsen und trat auf die Mauer
zu. Sein kurz geschnittenes Haar und die strahlend blauen Augen ließen ihn weitaus jünger erscheinen, als er war. Er öffnete den Mantel wie der Held in einem Western und zog sogleich eine alte Pistole aus dem Halfter unter dem linken Arm. Alles an ihm wirkte altmodisch, irgendwie so, als sei er einem Schwarz-Weiß-Film entsprungen.
    »Was …?«
    Er zwinkerte ihnen zu. »Der Schlüssel steckt noch«, sagte er und deutete auf den Wagen. »Keine Angst, ich werde euch beide schon finden.« Dann sprang er mit einem Satz nach unten in den Sand und ging ruhig und selbstsicher auf die dort verbliebenen Wolfsschemen in Menschengestalt zu. »Nun verschwindet schon, los, los, wir haben nicht alle Zeit der Welt. Ich kümmere mich derweil um das Gesindel hier.« Und ohne eine weitere Antwort abzuwarten, feuerte er einen Schuss auf den ersten Wolfsschemen ab, der noch in derselben Sekunde den Menschenkörper verließ.
    »Bereit zum Tanz, meine Lieben?«, fragte der Fremde die übrigen Wolfsschemen.
    Vesper starrte ihn nur an.
    Dann spürte sie eine Hand auf ihrer Schulter.
    »Lass uns verschwinden«, schlug Leander vor.
    Sie zögerte einen Moment, dann nickte sie.
    Gemeinsam kletterten sie die Steinwand empor. Der Range Rover stand noch immer da, pechschwarz und elegant. Leander schob Vesper ins

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