Grimms Märchen, Vollständig überarbeitete und illustrierte Ausgabe speziell für digitale Lesegeräte (German Edition)
so daß er ohne Schaden wieder herabkam; dann sprach er zu ihm: »Nun geh heim zum König und sag, er sollte nur noch mehr Reiterei schicken, ich wollte sie alle in die Luft blasen.«
Der König, als er den Bescheid vernahm, sprach: »Laßt die Kerle gehen, die haben etwas an sich.« Da brachten die sechs den Reichtum heim, teilten ihn unter sich und lebten vergnügt bis an ihr Ende.
Prinzessin Mäusehaut
E in König hatte drei Töchter; da wollte er wissen, welche ihn am liebsten hätte, ließ sie vor sich kommen und fragte sie. Die älteste sprach, sie habe ihn lieber, als das ganze Königreich; die zweite, als alle Edelsteine und Perlen auf der Welt; die dritte aber sagte, sie habe ihn lieber als das Salz.
Der König ward aufgebracht, dass sie ihre Liebe zu ihm mit einer so geringen Sache vergleiche, übergab sie einem Diener und befahl, er solle sie in den Wald führen und töten. Wie sie in den Wald gekommen waren, bat die Prinzessin den Diener um ihr Leben; dieser war ihr treu, und würde sie doch nicht getötet haben, er sagte auch, er wolle mit ihr gehen, und ganz nach ihren Befehlen tun.
Die Prinzessin verlangte aber nichts, als ein Kleid von Mausehaut, und als er ihr das geholt, wickelte sie sich hinein und ging fort. Sie ging geradezu an den Hof eines benachbarten Königs, gab sich für einen Mann aus, und bat den König, dass er sie in seine Dienste nehme. Der König sagte es zu, und sie solle bei ihm die Aufwartung haben: Abends musste sie ihm die Stiefel ausziehen, die warf er ihr allemal an den Kopf. Einmal fragte er, woher sie sei? – »Aus dem Lande, wo man den Leuten die Stiefel nicht um den Kopf wirft.«
Der König ward da aufmerksam, endlich brachten ihm die andern Diener einen Ring; Mausehaut habe ihn verloren, der sei zu kostbar, den müsse er gestohlen haben. Der König ließ Mausehaut vor sich kommen und fragte, woher der Ring sei? Da konnte sich Mausehaut nicht länger verbergen, sie wickelte sich von der Mausehaut los, ihre goldgelben Haare quollen hervor, und sie trat heraus so schön, aber auch so schön, dass der König gleich die Krone von seinem Kopf abnahm und ihr aufsetzte, und sie für seine Gemahlin erklärte.
Zu der Hochzeit wurde auch der Vater der Mausehaut eingeladen, der glaubte seine Tochter sei schon längst tot, und erkannte sie nicht wieder. Auf der Tafel aber waren alle Speisen, die ihm vorgesetzt wurden, ungesalzen, da ward er ärgerlich und sagte: »ich will lieber nicht leben als solche Speise essen!« Wie er das Wort ausgesagt, sprach die Königin zu ihm: »jetzt wollt ihr nicht leben ohne Salz, und doch habt ihr mich einmal wollen töten lassen, weil ich sagte, ich hätte euch lieber als Salz!«, da erkannt er seine Tochter, und küsste sie, und bat sie um Verzeihung, und es war ihm lieber als sein Königreich, und alle Edelsteine der Welt, dass er sie wiedergefunden.
Der Wolf und der Mensch
D er Fuchs erzählte einmal dem Wolf von der Stärke des Menschen, kein Tier könnte ihm wiederstehen, und sie müßten List gebrauchen, um sich vor ihm zu erhalten. Da antwortete der Wolf: »Wenn ich nur einmal einen Menschen zu sehen bekäme, ich wollte doch auf ihn losgehen.«
»Dazu kann ich dir helfen«, sprach der Fuchs, »komm nur morgen früh zu mir, so will ich dir einen zeigen.« Der Wolf stellte sich frühzeitig ein, und der Fuchs brachte ihn hinaus auf den Weg, den der Jäger alle Tage ging. Zuerst kam ein alter abgedankter Soldat. »Ist das ein Mensch?«, fragte der Wolf. »Nein«, antwortete der Fuchs, »das ist einer gewesen.« Danach kam ein kleiner Knabe, der zur Schule wollte. »Ist das ein Mensch?« – »Nein, das will erst einer werden.«
Endlich kam der Jäger, die Doppelflinte auf dem Rücken und den Hirschfänger an der Seite. Sprach der Fuchs zum Wolf: »Siehst du, dort kommt ein Mensch, auf den mußt du losgehen, ich aber will mich fort in meine Höhle machen.« Der Wolf ging nun auf den Menschen los, der Jäger, als er ihn erblickte, sprach: »Es ist schade, daß ich keine Kugel geladen habe«, legte an und schoß dem Wolf das Schrot ins Gesicht.
Der Wolf verzog das Gesicht ganz gewaltig, doch ließ er sich nicht schrecken und ging vorwärts, da gab ihm der Jäger die zweite Ladung. Der Wolf verbiß den Schmerz und rückte dem Jäger zu Leibe; da zog dieser seinen blanken Hirschfänger und gab ihm links und rechts ein paar Hiebe, daß er über und über blutend, mit Geheul zu dem Fuchs
Weitere Kostenlose Bücher