Grimms Märchen, Vollständig überarbeitete und illustrierte Ausgabe speziell für digitale Lesegeräte (German Edition)
Schulter, um recht einsacken zu können, und machte sich auf den Weg zu dem Hügel. Er fand, wie in der vorigen Nacht, das kleine Volk bei Gesang und Tanz, der Alte schor ihn abermals glatt und deutete ihm an, Kohlen mitzunehmen. Er zögerte nicht, einzustecken, was nur in seine Taschen gehen wollte, kehrte ganz glückselig heim und deckte sich mit dem Rock zu. »Wenn das Gold auch drückt«, sprach er, »ich will das schon ertragen«, und schlief endlich mit dem süßen Vorgefühl ein, morgen als steinreicher Mann zu erwachen.
Als er die Augen öffnete, erhob er sich schnell, um die Taschen zu untersuchen; aber wie erstaunte er, als er nichts herauszog als schwarze Kohlen, er mochte so oft hineingreifen, als er wollte. Noch bleibt mir das Gold, das ich die Nacht vorher gewonnen habe, dachte er und holte es herbei; aber wie erschrak er, als er sah, daß es ebenfalls wieder zu Kohle geworden war. Er schlug sich mit der schwarzbestäubten Hand an die Stirn, da fühlte er, daß der ganze Kopf kahl und glatt war wie der Bart. Aber sein Mißgeschick war noch nicht zu Ende; er merkte erst jetzt, daß ihm zu dem Höcker auf dem Rücken noch ein zweiter, ebenso großer, vorn auf der Brust gewachsen war.
Da erkannte er die Strafe seiner Habgier und begann laut zu weinen. Der gute Schneider, der davon aufgeweckt ward, tröstete den Unglücklichen, so gut es gehen wollte, und sprach: »Du bist mein Geselle auf der Wanderschaft gewesen, du sollst bei mir bleiben und mit von meinem Schatz zehren.«
Er hielt Wort; aber der arme Goldschmied mußte sein Lebtag die beiden Höcker tragen und seinen kahlen Kopf mit einer Mütze bedecken.
Die Prinzessin auf der Erbse 1
E s war einmal ein König, der hatte einen einzigen Sohn, der wollte sich gern vermählen, und bat seinen Vater um eine Frau. »Dein Wunsch soll erfüllt werden, mein Sohn«, sagte der König, »aber es will sich nicht schicken dass du eine andere nimmst als eine Prinzessin, und es ist gerade in der Nähe eine zu haben. Indessen will ich es bekannt machen lassen, vielleicht meldet sich eine aus der Ferne.«
Es ging also ein offenes Schreiben aus, und es dauerte nicht lange, so meldeten sich Prinzessinnen genug. Fast jeden Tag kam eine, wenn aber nach ihrer Geburt und Abstammung gefragt wurde, so ergab es sich, dass es keine Prinzessin war, und sie musste unverrichteter Sache wieder abziehen. »Wenn das so fortgeht«, sagte der Prinz, »so bekomm ich am Ende gar keine Frau.«
»Beruhige dich, mein Söhnchen«, sagte die Königin, »eh du es dich versiehst, so ist eine da; das Glück steht oft vor der Türe, man braucht sie nur aufzumachen.«
Es war wirklich so, wie die Königin gesagt hatte.
Bald hernach, an einem stürmischen Abend, als Wind und Regen ans Fenster schlugen, ward heftig an das Tor des königlichen Palastes geklopft. Die Diener öffneten, und ein wunderschönes Mädchen trat herein, das verlangte gleich vor den König geführt zu werden. Der König wunderte sich über den späten Besuch, und fragte sie woher sie käme, wer sie wäre und was sie begehre. »Ich komme aus weiter Ferne«, antwortete sie, »und bin die Tochter eines mächtigen Königs. Als eure Bekanntmachung mit dem Bildnis eures Sohnes in meines Vaters Reich gelangte, habe ich heftige Liebe zu ihm empfunden und mich gleich auf den Weg gemacht, in der Absicht seine Gemahlin zu werden.«
»Das kommt mir ein wenig bedenklich vor«, sagte der König, »auch siehst du mir gar nicht aus wie eine Prinzessin. Seit wann reist eine Prinzessin allein ohne alles Gefolge und in so schlechten Kleidern?«
»Das Gefolge hätte mich nur aufgehalten«, erwiderte sie, »die Farbe an meinen Kleidern ist in der Sonne verschossen, und der Regen hat sie vollends herausgewaschen. Glaubt ihr nicht dass ich eine Prinzessin bin, so sendet nur eine Botschaft an meinen Vater.«
»Das ist mir zu weitläufig«, sagte der König, »eine Gesandtschaft kann nicht so schnell reisen, wie du. Die Leute müssen die nötige Zeit dazu haben; es würden Jahre vergehen, ehe sie wieder zurück kämen. Kannst du nicht auf andere Art beweisen, dass du eine Prinzessin bist, so blüht hier dein Weizen nicht, und du tust besser je eher je lieber dich wieder auf den Heimweg zu machen.«
»Lass sie nur bleiben«, sagte die Königin, »ich will sie auf die Probe stellen, und will bald wissen ob sie eine Prinzessin ist.«
Die Königin stieg selbst den Turm hinauf, und ließ in
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