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Grimwood, Ken - Replay

Grimwood, Ken - Replay

Titel: Grimwood, Ken - Replay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das zweite Spiel
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versuchte vor Wut zu schreien, weil es ungerecht war; diesmal war er vollkommen darauf vorbereitet gewesen. Doch er konnte nicht schreien, es blieb ihm nichts anderes übrig, als wieder zu sterben.

    Und wieder zu erwachen, auf dem Rücksitz von Martin Baileys Corvair, mit Judy an seiner Seite. Judy war achtzehn, die Judy von 1963, bevor sie sich verliebt und geheiratet und ihr gemeinsames Leben aufgebaut hatten.
    »Halt den Wagen an!«
    »Nur Geduld, mein Freund«, sagte Martin. »Wir sind gleich am Mädchenwohnheim. Wir…«
    »Ich sagte, halt den Wagen an! Halt sofort an!«
    Verwirrt den Kopf schüttelnd, brachte Martin den Wagen am Kilgo Circle zum Stehen, hinter dem Geschichtsgebäude. Judy legte ihre Hand aufs Jeffs Arm, versuchte, ihn zu beruhigen, aber er zuckte vor ihr zurück und riß die Wagentür auf.
    »Mein Gott, was, zum Teufel, machst du eigentlich?« rief Martin, doch Jeff war schon aus dem Wagen und rannte, rannte schnell in irgendeine Richtung; es war nicht wichtig, wohin.
    Nichts war mehr wichtig.
    Er lief durch den viereckigen Innenhof, vorbei an den Chemie- und Psychologiegebäuden, während sein starkes junges Herz in seiner Brust pochte, als hätte es ihn nicht Minuten zuvor und fünfundzwanzig Jahre in der Zukunft im Stich gelassen. Seine Beine trugen ihn am Biologiegebäude vorbei, über die Straßenecke von Pierce und Arkwright Drive hinaus. Schließlich stolperte er und fiel in der Mitte des Fußballfeldes auf die Knie, die verschwimmenden Augen zu den Sternen erhoben.
    »Verdammt!« Er schrie zum gleichgültigen Himmel empor, schrie mit aller Kraft und Verzweiflung, die er auf jenem Sterbelager im Krankenhaus nicht hatte ausdrücken können. »Der Teufel soll euch holen! Warum… tut… ihr… MIR DAS AN!«

8
    Danach war Jeff alles so ziemlich scheißegal. Er hatte getan, was er konnte, hatte erreicht, was zu erreichen ein Mann sich nur erhoffen konnte – materiell, in der Liebe, als Vater – und doch blieb unter dem Strich nichts davon übrig, stand er immer noch allein und machtlos da, mit leeren Händen und leerem Herzen. Wieder am Anfang; aber warum überhaupt beginnen, wenn sich all seine Mühen unvermeidlich als nutzlos erweisen würden?
    Er brachte es nicht über sich, Judy wiederzusehen. Dieses herzige junge Mädchen war nicht die Frau, die er einmal geliebt hatte, sondern bloß ein unbeschriebenes Blatt mit dem Potential, zu dieser Frau zu werden. Es wäre sinnlos, sogar masochistisch, diesen Prozeß wechselseitiger Annäherung mechanisch zu wiederholen, wo er nur zu gut den emotionalen und seelischen Tod kannte, auf den alles hinauslief.
    Er kehrte zu jener anonymen Bar zurück, die er vor so langer Zeit an der North Druid Hills Road entdeckt hatte, und begann zu trinken. Als die Zeit gekommen war, unterzog er sich erneut der Farce, Frank Maddock davon zu überzeugen, die Wette auf das Kentucky Derby für ihn zu plazieren. Sobald das Geld eintraf, flog er nach Las Vegas – allein.
    Nach drei Tagen des Herumwanderns in Hotels und Casinos fand er sie schließlich an einem Black-Jack-Tisch mit einem Dollar Minimumeinsatz im Sands. Das gleiche schwarze Haar, der gleiche makellose Körper, sogar das gleiche rote Kleid, das er einmal in einem Moment gemeinsamer ungeduldiger Lust ihr auf dem Wohnzimmersofa ihrer kleinen Maisonette vom Leib gerissen hatte.
    »Hi«, sagte er. »Ich heiße Jeff Winston.«
    Sie lächelte ihr vertrautes verführerisches Lächeln. »Sharla Baker.«
    »Schön. Was würd’st du davon halten, nach Paris zu fliegen?« Sharla warf ihm einen verwirrten Blick zu. »Was dagegen, wenn ich erst mein Blatt ausspiele?«
    »In drei Stunden geht ein Flugzeug nach New York. Es hat einen direkten Anschluß zu Air France. Das läßt dir Zeit zum Packen.«
    Sie versuchte es mit einer Sechzehn, verlor.
    »Bist du wirklich, oder was?«
    »Ich bin wirklich. Fertig aufzubrechen?«
    Sharla zuckte die Achseln, schaufelte die wenigen übriggebliebenen Chips in ihre Handtasche. »Klar. Warum nicht?«
    »Genau«, sagte Jeff. »Warum nicht?«
    Der süßlich-strenge Geruch von hundert glimmenden Gauloises- und Gitanes-Zigaretten hing in der Luft des Clubs wie ein ranziger Nebel. Durch den Dunst hindurch konnte Jeff Sharla allein in einer Ecke tanzen sehen, mit geschlossenen Augen, betrunken. Sie schien diesmal mehr zu trinken als er sich erinnerte; oder vielleicht lag es einfach daran, daß sie mit ihm Schritt hielt, und er trank jetzt mehr als je zuvor. Zumindest machte ihn der

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