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Grippe

Grippe

Titel: Grippe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wayne Simmons.original
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seine Lippen und schluckte gierig. Als er leergetrunken hatte, stellte er sie wieder ab und sah McFall an wie ein Waise im Heim, der um Nachschlag bettelte.
    »Nichts mehr da«, behauptete der Maskierte.
    Geri schaute ihn düster an und trat gegen sein Schienbein.
    » Autsch! Wofür war das jetzt? Ist wirklich nichts mehr da!«, protestierte er beleidigt.
    »Nochmal von vorne«, bat Norman Paddy ausdrücklich. Das kindische Gehabe der anderen ging ihm auf die Nerven.
    »Na gut«, entgegnete Paddy gleich etwas ruhiger. McFalls Tee hatte seine Lebensgeister offenbar ziemlich rasch aufwecken können. »Zuzuhören wird aber nicht einfach werden …«

    »Ich war Lehrer, bevor das alles passiert ist«, begann Paddy. Er erlaubte sich ein sardonisches Kichern. »Kann mich kaum noch an Einzelheiten aus jener Zeit erinnern, wie lange sie schon vorbei ist und wie schön sie war. Selbst die Schule, in der ich arbeitete, und die Kinder in meiner Obhut habe ich vergessen.« Er schaute von der leeren Tasse auf, an der er wie an einem Kuscheltier nestelte. »Alles wird anders, wenn man einmal dort gewesen ist …«
    »Wo?«, fragte Geri und streckte die Hand nach dem jungen Mann aus, um sie ihm auf die Schulter zu legen.
    Er schaute sie an, da kamen ihm die Tränen. »In einem Lager«, flüsterte er, als sei es ein Geheimnis. »Einem Rettungslager.«
    Stille brach über die Runde herein – andächtiges, aber auch beklommenes Schweigen. Jeder von ihnen hatte wohl von diesen Camps gehört und teilweise sogar Leute gekannt, die auf der Suche nach Hilfe in einem untergekommen waren. Keiner jedoch wusste von jemandem, der wieder lebendig herausgekommen war. Dieser junge Mann schrieb Geschichte. Abgründige Geschichte. Alle fünf hingen an Paddys Lippen. Die Luft knisterte vor Spannung.
    »In welchem Lager bist du gewesen?«, fragte George. Seine Stimme überschlug sich kurz.
    » In Craigavon«, gab der kleine Mann an. »Bei den Seen. Ungefähr hundert Überlebende wurden zunächst auf Lastern dort abgeliefert. Sie hatten es zur Evakuierung der größeren Wohnsiedlungen gebaut, und ich war unter den ersten, die sie empfingen. Zu der Zeit hatten sich also erst wenige dort eingefunden. Das Lager war gerade eingeweiht worden und wirklich – obwohl es nicht annähernd dem gerecht wurde, was die Medien und Plakate versprochen hatten – nicht nur schrecklich. Essen und Trinken gab es reichlich für alle, einen warmen Unterschlupf mit Bett und vor allem Sicherheit; es wimmelte vor bewaffneten Wachleuten, alle in diesen gelben Anzügen.«
    George und Norman wechselten Blicke. Sie bewahrten ein Geheimnis, wie Geri bemerkte. Was hatten sie mit diesen Camps zu tun?
    »Sie patrouillierten das Gelände, hielten uns drinnen fest und die Toten … fern. Mehr als einmal während jener Anfangsphase weckten mich Schüsse.«
    »Wurden Medikamente ausgegeben?«, fragte Geri. »Du weißt schon, wie auf den Plakaten versprochen.«
    »Davon hab ich nichts mitbekommen«, behauptete Paddy. »Ärzte gab es, klar. Allerdings ließen sich die zunächst kaum von den Wachen unterscheiden, weil sie auch in Gelb herumgelaufen sind. Sonderlich gesprächig waren sie auch nicht. Einige von ihnen nahmen während der erste Tage Leute mit, vor allem ältere und behinderte. Die sahen wir nie wieder, aber beschwert hat sich darüber niemand.
    Schließlich machten sich die Doktoren rar, bis nur noch die Wachen blieben, und auch deren Auftritte wurden immer sporadischer. Sie zeigten uns bloß die Essens- und Getränkeausgabe, wo wir unseren Müll abgeben und uns waschen sollten, aber davon abgesehen waren wir mehr oder minder auf uns selbst gestellt. Wenn jemand nach Arzneimitteln fragte, hieß es, sie seien noch nicht eingetroffen.«
    »Wie lange bist du dort gewesen?«, fragte George.
    »Ein paar Wochen, vielleicht auch Monate. Der Alltag war so eintönig, dass ich es schwerlich abschätzen kann. Die Menschen hatten nichts zu tun, also hielten die meisten Dauerschlaf und standen nur auf, wenn es Futter gab. Einmal teilte man Bücher und Spielzeug für die Kinder aus, aber je mehr Leute die Trucks brachten, desto schwieriger wurde es, noch Platz zum Lesen oder Spielen zu finden.«
    Geri hätte Paddy gern nach ihren Bekannten gefragt, etwas über Familienmitglieder und Freunde erfahren. Vielleicht waren sie ihm begegnet, oder er wusste etwas über ihren Verbleib. Dann besann sie sich aber, diese Fragen seien zu egoistisch, und so fertig, wie er aussah, ahnte sie, dass seine

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