Grippe
Tür.
»Was-jetzt-was-jetzt-was-jetzt …« Geri plapperte unentschlossen vor sich hin, bevor sie nach dem Türgriff langte, auf die Zähne biss und ausstieg. Der Gestank draußen war so zudringlich, dass er ihr quasi auf der Zunge lag. Das faulige Fleisch beleidigte nicht bloß die Augen, sondern auch Nase und Gaumen. Die Luft war schwer von diesem beißenden Aroma, und sie stand kurz davor, sich zu übergeben.
Die meisten der Toten zeigten sich fast verzaubert von Larks munterem Gemetzel, weshalb Geri ungehindert und recht schnell an ihnen vorbeikam. Etwas, das nach einem kleinen Jungen aussah, streckte sich nach ihr aus, als sie bereits in den Vorgarten zum Haus treten wollte. Sie kreischte laut, schob ihm die Pistole in den Mund und drückte mehrmals ab. Mit dem ersten Schuss flogen ihr Schädelsplitter um die Ohren, wohingegen der zweite und dritte den maroden Kopf durchschlugen und einem weiteren Toten die Kniescheibe wegsprengten. Beide Kreaturen sackten zu Boden, die erste mit einem Tritt von Geri, als sei er ein von Flöhen zerfressener Kläffer. Dann ging sie den Weg zur Haustür weiter.
»Mach auf, verflucht!«, brüllte Lark, während er weiter gegen das Holz klopfte. Seine Finger bluteten bereits.
Geri lehnte sich mit dem Rücken an das Frontfenster. Beide Hände zitterten, als sie die Waffe auf die übrigen Toten richtete. Sie umzingelten sie langsam, wie die anderen vorhin weiter unten in der Stadt. Es war ein koordinierter Angriff. Geri hörte sie beinahe im Chor fauchen, während sie ihren Kreis schlossen. Sie schienen zu kommunizieren. Man roch und schmeckte sie, fühlte ihre Berührungen fast im Voraus auf der Haut, als sie sich weiter näherten.
»Fresst das«, spie Lark aus und zielte in ihre Richtung, indem er sich gegen die Tür fallenließ. Die schallgedämpfte Mündung leuchtete einmal, zweimal – und schon gingen zwei weitere unter einem dunkelroten Dunstschleier in die Knie. Als Geri ebenfalls erneut das Feuer eröffnete, echote der Knall laut zwischen den Häusern. Die blutgetränkte Brust einer alten Frau barst unter dem Beschuss, und ihre sehnigen Beine knickten ein. Ein Junge im Fußballtrikot mit von Urin gelber Schlafanzughose verlor ein Ohrläppchen in einer purpurnen Fontäne. Er fasste sich an die Wunde und wimmerte los.
»Jesus, Fuck!«, schrie Lark mit einer Mischung aus Furcht und Nervenkitzel in der Stimme. Die Aufregung spiegelte sich in seiner Schussfreudigkeit wider: Er feuerte wiederholt auf die lichter werdenden Reihen und traf stets, obwohl er weit streute und höher zielte. Schließlich aber versagte das Gewehr. Immer wieder betätigte er den Abzug, doch nichts passierte. Nur das beängstigende Klicken der leeren Kammer. »Ach zum –«, begann er.
Damit ging die Tür auf, und ein maskiertes Gesicht lugte heraus.
»Rein, rein, rein!«, drängelte McFall. Er streckte den Arm aus und packte Geri im Genick beim Kragen, um sie ins Haus zu ziehen.
Lark stürzte an ihm vorbei, alle waren drin, und die Tür fiel zu.
»Wo hast du gesteckt?!«, schrie Lark, nachdem die beiden ihm ins Wohnzimmer gefolgt waren.
»Bin eingepennt«, erwiderte McFall und rieb sich die Augen durch die Maske. »Ihr habt mich geweckt.«
17
Die versiegelten Wohnungen verstörten sie am meisten. Trotz der verschweißten Türen und Fenster hörte man Geräusche von drinnen. Das heisere Knarren, das ungelenke Schlurfen. Gelegentlich das Klirren von heruntergefallenem Glas, hin und wieder ein festes Klopfen an den Türen. Die Toten waren bei ihr ihm Wohnhaus und reagierten darauf, wenn sie sich bewegte. Karen wusste, dass sie nicht ausbrechen konnten, hatte aber dennoch eine Höllenangst – noch mehr als vor denen, die sie sehen konnte.
So weit wie heute waren sie noch nie hinabgestiegen. Pat hatte es für das Beste gehalten, die Apartments von oben nach unten zu durchstöbern. Dabei mussten sie die Stockwerke nicht einzeln nehmen, sondern übers Treppenhaus abkürzen, auch wenn sie zum Eingang ins Erdgeschoss wollten. Jetzt stand sie vor Wohnung 23 und hielt sich an ihrer Pistole fest.
Bei der Absicherung war es unverkennbar zu brutalen Übergriffen gekommen: Die blassgraue Wand und der Flurboden waren mit auffällig mahagonifarbenen Spritzern übersät. Die Schweißnaht an den Metallplatten vor der Tür zeugte von überhasteter Arbeit und war nicht ganz durchgezogen worden. Als Karen mit den Fingern über die Verbindungsstellen fuhr, fühlte sie deutliche Unebenheiten, als hätte sich der
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