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Grischa: Goldene Flammen

Grischa: Goldene Flammen

Titel: Grischa: Goldene Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leigh Bardugo
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Vertrauen gebeten, und wenn er tatsächlich glaubte, dass der Hirsch die Lösung war, konnte ich nur hoffen, dass er Recht hatte. Ich ging den gemeinsamen Übungen mit den anderen Beschwörern weiter aus dem Weg, ließ mich aber mehrmals von Marie und Nadja zu einem Besuch der Banja überreden und sah mir im Großen Palast ein Ballett an. Ich erlaubte Genja sogar, meinen Wangen ein wenig Farbe zu verleihen.
    Meine neue Haltung trieb Baghra zur Weißglut.
    Â»Du bemühst dich nicht einmal mehr!«, schrie sie. »Wartest du darauf, dass dich irgendein Zauberhirsch rettet? Oder ein hübscher Halsreif? Dann kannst du ebenso gut darauf warten, dass ein Einhorn seinen Kopf in deinen Schoß legt, du blöde Gans.«
    Wenn sie mich anbrüllte, zuckte ich nur mit den Schultern. Sie hatte Recht. Ich hatte genug von den ewigen vergeblichen Versuchen. Ich musste endlich einsehen, dass ich nicht wie andere Grischa war. Außerdem schien ich eine rebellische Ader zu besitzen, denn ich genoss es, Baghra zu reizen, bis sie die Beherrschung verlor.
    Ich wusste nicht, wie Zoja bestraft worden war, aber sie ignorierte mich immer noch. Sie durfte die Übungsräume nicht mehr betreten und ich hatte gehört, dass sie nach dem Winterfest nach Kribirsk zurückkehren sollte. Manchmal merkte ich, dass sie mich anstarrte, und ich ahnte, dass sie mit ihren paar Freunden unter den Beschwörern über mich lästerte, aber ich bemühte mich, all das an mir abprallen zu lassen.
    Trotzdem wurde ich das Gefühl nicht los, versagt zu haben. Beim ersten Schneefall fand ich nach dem Erwachen eine neue Kefta vor meiner Tür. Sie bestand aus schwerer mitternachtsblauer Wolle und hatte eine mit golden glänzendem Fell gefütterte Kapuze. Als ich sie anzog, kam ich mir vor wie eine Betrügerin.
    Nachdem ich lustlos gefrühstückt hatte, machte ich mich auf den vertrauten Weg zu Baghras Hütte. Die Kieswege, von den Inferni vom Schnee befreit, glitzerten im schwachen Schein der Wintersonne. Ich hatte den See fast erreicht, als mich eine Dienerin einholte.
    Sie übergab mir einen zusammengefalteten Zettel, machte einen Knicks und eilte dann wieder zum Palast. Es war Genjas Handschrift.
    Maljen Oretsews Einheit ist für sechs Wochen im Norden von Tsibeja stationiert, im Außenposten Tschernast.
    Er wird als gesund geführt.
    Du kannst ihm schreiben, zu Händen seines Regiments.
    Die Botschafter der Kerch überschütten die Zarin gerade mit Geschenken. Austern und Schnepfen, in Trockeneis verpackt (widerwärtig), aber auch Mandelkonfekt.
    Ich bringe Dir heute Abend etwas vorbei.
    G.
    Maljen war also in Tsibeja. Er war in Sicherheit und er war am Leben, weit entfernt vom Kriegsgeschehen und vermutlich auf der Jagd nach dem Wild des Winters.
    Ich hätte dankbar sein müssen. Ich hätte mich freuen müssen.
    Du kannst ihm schreiben, zu Händen seines Regiments . Aber ich schrieb ihm doch schon seit Monaten und hatte die Briefe immer an sein Regiment adressiert.
    Ich dachte an meinen letzten Brief.
    Lieber Maljen , hatte ich geschrieben. Da ich nichts von Dir höre, nehme ich an, dass Du eine Volkra geheiratet hast und ein gemütliches Leben auf der Schattenflur führst, wo Du weder Licht noch Papier zum Schreiben hast. Oder hat Deine neue Braut vielleicht Deine Hände gefressen?
    Danach hatte ich ihm Botkin geschildert, den schnüffelnden Hund der Zarin und die merkwürdige Faszination der Grischa für bäuerliche Sitten. Ich hatte die schöne Genja beschrieben, die Pavillons am See und die herrliche Glaskuppel der Bibliothek. Ich hatte ihm von der geheimnisvollen Baghra erzählt, den Orchideen im Gewächshaus und den Vögeln, mit denen die Decke über meinem Bett bemalt war. Doch ich hatte nichts über Morozows Hirsch geschrieben oder über die Tatsache, dass ich als Grischa eine komplette Versagerin war. Und ich hatte ihm verschwiegen, dass ich ihn jeden Tag vermisste.
    Nachdem ich fertig gewesen war, hatte ich kurz gezögert und dann unten auf die Seite gekritzelt: Keine Ahnung, ob Du die anderen Briefe erhalten hast. Hier ist es unbeschreiblich schön, aber all das würde ich aufgeben, wenn ich dafür mit Dir an Triwkas Teich Steine über das Wasser springen lassen könnte. Bitte schreib mir.
    Er musste meine Briefe erhalten haben. Was hatte er mit ihnen angestellt? Hatte er sie überhaupt geöffnet? Hatte er peinlich berührt

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