Größenwahn
sein Sohn und Thronerbe. Ihnen gegenüber Ion Cam Hobhouse, Baronet (später Lord Broughton), als Testamentsvollstrecker und intimster ältester, Freund des Todten. Neben ihm zwei Weltmänner, Colonel Doyle als Vertreter der separirten Wittwe und Mr. Wilmot Horton als Vertreter der Schwester. Der Streit nahte seinem Ende. Die Hartnäckigkeit des hochangesehenen Mannes, welcher einzig und allein die Interessen seines verewigten Freundes verfocht, unterstützt vom – ihm selbst sehr gleichgültigen – Interesse der Wittwe, trug den Sieg davon. Folgendes war das Resumé, welches Mr. Hobhouse mit scharfer Bestimmtheit und Klarheit vom Stapel ließ: »Die Sache steht demnach so. Der Verstorbene hat in Venedig an Mr. Moore seine ›Autobiographie‹ geschenkt und später aus Italien noch Vervollständigungen gesendet. Dies Dokument wurde, auf besonderen Wunsch des Dichters, von seinem Verleger Mr. Murray aus Moore's Händen für 2000 Pfd. Sterl. gekauft, mit dem Recht der Veröffentlichung. In seinem letzten Lebensjahr vor seiner Abreise nach Missolunghi ward aber mein Freund von wiederholten Zweifeln heimgesucht, ob die Publikation seinem Rufe zuträglich sein würde. Ich versichere auf mein Ehrenwort und gestützt auf vorgelegte Briefe, daß mein Freund die Absicht hatte, die Dokumente zurückzukaufen. Ich protestire also mit aller Energie als Testamentsvollstrecker des Verewigten gegen eine Publikation, die seinem Ruhme höchst nachtheilig sein kann. Ich halte das betreffende Manuscript für eine seiner ganz unwürdige Leistung und Handlung. Die nächste Verwandte, die Schwester meines Freundes, die ehrenwerthe Augusta Leigh, ist festiglich derselben Ansicht. Die Wittwe vertritt aus guten Gründen denselben Standpunkt. – Zu diesem Zweck hat der nun durch uns zur Erkenntniß der Sachlage gekommene Mr. Moore die betreffenden 2000 Pfd. Sterl. hiermit zur Rückzahlung angetragen. Sie aber, Mr. Murray, sind durch Ehre und Rücksicht auf das Andenken des illüstren Todten, unseres gemeinsamen verblichenen Freundes, gezwungen, die Dokumente hier in unserer Gegenwart vor Zeugen zu verbrennen. Daran ist kein Zweifel mehr.« – –
Eine Viertelstunde später brannte der letzte Papierstreifen zu Asche. Mit einem Schauer düsterer Befriedigung glaubte der sensitive Moore auf den Zügen des Porträts ein triumphirendes Lächeln zu bemerken. – –
Beim Hinabsteigen in den Flur aber flüsterte er leichthin in Hobhouse's Ohr: »Unleugbar war die Schilderung der Scheidungsgründe in jenen Dokumenten eine partheiische und voreingenommene. Aber – obwohl augenscheinlich mit bestem Wissen des Autors geschrieben – glauben Sie, daß diese Dokumente wirklich die volle Wahrheit enthielten?«
»Das weiß ich nicht,« war die kalte Antwort.
»Ich meine, halten Sie so gewöhnliche und simple Ursachen wie Charakterunterschied u.s.w. für die Hauptgründe dieser berühmten Scheidung?«
Mit gefaßter Kälte blickte der lange Britte auf den kleinen Poeten herab, als er unerschütterlich ruhig antwortete: »Ich weiß nicht – vielleicht.«
Aber Moore ließ noch nicht nach. »Sie wissen, daß ich gegen sie wahrlich keine freundlichen Gefühle hege und meinem edeln Freund stets die Heirath abrieth. Aber, Mr. Hobhouse, Ihre eigene Animosität gegen diese Frau – ist sie nicht durch Kenntniß irgend eines Faktums vermindert?«
Hobhouse zuckte die Achseln und machte eine abwehrende Bewegung: »Ich wüßte nicht.«
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»Hier schließt die Einleitung, die zugleich den Epilog bildet,« schaltete Krastinik ein. »Jetzt beginnt die eigentliche Erzählung der Ehescheidungsgeschichte, welche nun Schritt für Schritt in Byrons Vergangenheit zurückleitet.«
»Meine theure Lady Byron!
Der Apotheker und Arzt Lord Byron's nahm sich die Freiheit, den Instruktionen Ew. Ladyschaft folgend, denselben zu besuchen, mit der Intention, ihm Luftwechsel und Landaufenthalt anzurathen, jedoch den heimlichen Zweck im Auge haltend, den geistigen Gesundheitszustand des distinguirten Patienten festzustellen.
Dr.
Le Mann hat nun wohl selbst Ew. Ladyschaft die Mittheilung gemacht, daß er nicht den geringsten Anhalt zu der Annahme gestörter Gehirnfunktionen gefunden hat. – Nichtsdestoweniger ersuchte mich Lady Noël, in Gemeinschaft mit
Dr.
Baillie, dem berühmten Mediciner, Sr. Lordschaft eine Visite zu demselben Zwecke zu widmen. Zu unserer
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