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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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peinlichen Ueberraschung schien der edle Lord gar bald mit einer seines Genius würdigen Einsicht und Beobachtung die Absicht zu erkennen und, nachdem er uns in gemessener Weise kundgegeben, daß unsere Fragen ihm sonderbar frivol und zudringlich erschienen, bot er den sichersten Beweis seiner gesunden Geistesverfassung: Er befahl nämlich – um es deutlich zu sagen – dem Lakaien, diesen ungeladenen Besuchern über die etwas steile Treppe hinabzuleuchten. Völlig überzeugt von der Abwesenheit jeder Geistesstörung bei dem edlen Lord, erlaube ich mir die Betonung der Thatsache damit zu verbinden, daß die durchaus unentschuldbaren Rauheiten im Benehmen desselben Ew. Ladyschaft gegenüber doch durchaus nicht diejenige Grenze erreichen, wo eine Scheidung nothwendig scheint. So hoffe ich mich mit Sir Samuel Romilly, dem Sachwalter des edlen Lords, in Verbindung setzen zu dürfen, da es sich hier einfach um einen Versöhnungs-Fall handelt und wir leicht ein gütliches Uebereinkommen treffen werden. – Ew. Ladyschaft direkten Befehlen entgegensehend, bleibe ich
    Ihr ganz ergebenster Diener
    Dr.
Lushington.«
     
    In diesem geheimnißvollen Stil eines Wilkie Collins ging die Sache nun weiter, bis die Advokatencorrespondenz mit einem mystischen Abendbesuch Lady Byrons bei ihrem Anwalt Lushington abbrach, worauf derselbe erklärte: nach einer neuen Mittheilung, die ihm erst jetzt offenbart sei, bestehe er auf sofortiger Scheidung.
    »Und der Grund?« fragte Rother hastig.
    »Ja, sehen Sie!« Krastinik blinzelte pfiffig, als wäre er schon ein alterprobter Schlauberger und Sensationswütherich, der zur Abwechselung mal die Geheimnisse Miß Braddons in zwanzig Bänden sammelt. »Da steckt eben der Haken!«
    Rother, dessen litterarischer Geschmack über den eines »gebüldeten« Lesers in Deutschland nicht hinausging, fand diesen Anfang unendlich vielversprechend. »Wie spannend! Nein wie spannend !« rief er einmal über das andere.
    »Ich bin überzeugt, Herr Graf, jeder Redakteur würde Ihnen nach einem so spannenden Anfang das Werk aufs Geradewohl bestellen.«
    »Meinen Sie?« fragte Krastinik halb geschmeichelt halb zweifelnd.
    »Bestimmt. Unsre Romane werden immer langweiliger, man schläft bald ein. Eugen Sue mag ja kein Ideal sein, aber man liest so etwas doch hundertmal lieber, als unsre deutschen Sachen ohne Handlung und Spannung.«
    »Jaja, die Handlung ist dem Verleger die Hauptsache und dem Publikum auch,« gab Krastinik zu, »das weiß ich wohl. Was kauf' ich mir für die lange Psychologie , nicht?«
    »Natürlich. Sie sind zum Romancier geboren. Sie Glücklicher! Da können Sie bald ein reicher berühmter Mann werden. Und dazu Ihr Name, Herr Graf! Wir haben schon verschiedene Grafen und Gräfinnen, die schreiben. Wenden Sie sich gleich an die große Firma Hallberger in Stuttgart. Ich kann Ihnen vielleicht eine Empfehlung geben, da ich mit ›Ueber Land und Meer‹ in geschäftlicher Verbindung stehe als Illustrator.«
    »Meinen Sie also wirklich?« Der edle Xaver fiel mit Heißhunger über den ehrlich gemeinten Köder her. »Nun, da wär' es wohl das Beste, wenn ich mal selbst in Berlin Umschau hielte und mich mit Blättern und Bücherfirmen in Verbindung setzte?«
    Ja, das kam Rother grade gelegen. Mit glühenden Farben malte er seinem neuen Freunde die Aussichten, die ihm winkten. Auch entwarf er ein lockendes Gemälde von Berlin.
    Ganz entscheiden wollte sich Krastinik noch nicht, doch neigte er sich dem Entschluß der Abreise zu, – um so mehr es ja in seiner Natur begründet lag, hastige plötzliche Entschlüsse zu treffen.
    Doch bat ihn Rother, als er ihn an jenem Tage verließ, nun definitiv sich zu entscheiden, da er bestimmt übermorgen nach Berlin zurückreise. – –
    Da half dem Grafen ein Wink des Schicksals aus seinem Dilemma. Denn, eben im Begriff sich für einen erneuten Besuch bei Egremonts zurechtzuputzen, erhielt er, auf elegantem Velinpapier mit Goldschrift gedruckt, die freudige Nachricht von dem geistigen Schutzpatron der »Britischen Aristokratie«, daß seine Tochter Alice sich mit Sir Thomas de Mowbray verlobt habe.
    Einen Augenblick fühlte sich Krastinik wie niedergeschmettert. Das Blatt entfiel seiner Hand, er sank auf einen Stuhl und starrte lange vor sich hin. Dann erhob er sich und stürmte ins Freie.
    Wie lange er so umhergewandert, planlos, irr, durch Parks und Straßen, – er wußte es nicht. Es war nach Mitternacht, als er, wie aus einem Traum erwachend, an dem Eingang

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