Größenwahn
Größenwahn hervorgeht.«
»Sei also der Größenwahn der Großen berechtigt – wie aber entschuldigt man die Einbildung der Kleinen?«
»Ach, denken wir auch hier menschlich! Nur die Lumpe sind bescheiden. Was wären wir ohne Hoffnung! Ein solcher Größenwahn ist oft Selbsterhaltungstrieb. Dagegen ist nichts zu sagen. Ein solcher Glaube tröstet einen armen Teufel im Kampf ums Dasein; der Glaube an seine innere Bedeutendheit hält ihn aufrecht.«
Beide blieben an einer Wegebiegung stehn, um sich zu trennen. Sie hatten sich schon die Hände geschüttelt und hielten sich noch immer bei der Hand.
»Schon gut, aber man macht sich doch lächerlich –«
»Weil die Eitelkeit der Andern sich über unsre Eitelkeit ärgert? Nun ja, man muß es nicht herauskommen lassen. Das ist ungeschickt. Die Hochmüthigsten sind die, welche ihren Hochmuth nicht mit Worten zeigen. – Na, es soll mich wundern, wie Du in der Hauptstadt des deutschen Geistes mit all den großen Geistern auskommen wirst. Meinen Segen hast Du dazu! Lebwohl – mein Junge, lebwohl!«
Sechstes Buch.
I.
Bei seiner Rückkehr hatte Rother folgenden Brief gefunden:
»Geehrter Herr,
Verzeihen Sie, daß ich es wage, dieße Zeilen an Sie zu schreiben, es ist ja nur betreffs meines Bildes, um dessen Rückgabe ich Sie einst bat. Ich weiß, daß Sie mir zürnen. Denn wenn Sie Charakter haben, müssen Sie das thun, denn Ursache haben Sie vollauf, und eben weil ich das annahm, glaubte ich damals nicht eine wunde Saite bei Ihnen zu berühren, Erinnerungen bei Ihnen wachzurufen – – wenn ich Sie um Rückgabe meines Bildes bat, weil ich Selbes für Sie längst wertlos wähnte und außerdem sind Sie in ganz Deutschland der einzige Besitzer eines Bildes in dieß Genre, da ich seiner Zeit bloß drei machen ließ und die zwei andern in Händen meiner Familie sind.
Da ich nun aber aus Ihren Zeilen ersehen daß Ihnen noch ein klein wenig an dem Bilde liegt behalten Sie es als Erinnerung an eine traurige Zeit für Sie und mich und wenn es Ihnen manchmal aus versehen in die Hände kommt, urtheilen Sie nicht zu strenge über daß Original, welches auch ein schlagendes Herz in der Brust hat und auch recht deutlich fühlt was wohl und wehe thut ... Mit dem Kohlrausch bin ich fertig für ewige Zeiten mein Ohr wird beleidigt wenn ich von ihm höre. Fragen Sie mich nicht wie es gekommen, sondern ziehen Sie den Charakter dieses K. in Betracht. Dann können Sie sich selbst Antwort geben. Nun sende ich Ihnen meinen letzten Gruß und wünsche Ihnen all das gute was man Jemand wünscht, für den man die größte Achtung im Herzen hegt«
Rother stützte sein Haupt in beide Hände. Große Thränen quollen aus seinen Augen und jede Thräne brannte.
Dann stürzte er sich auf sein Schreibzeug und entwarf in einem Zuge folgenden Brief:
»Verzeihen Sie, wenn Ihr Brief mich drängt, auf einige Punkte desselben noch einmal zu antworten.
Hätte ein Mann diesen Brief mit seiner ruhigen Vornehmheit der Gesinnung, in ehrlichem Eingestehen eigener Verschuldung und doch Bewahrung der eigenen Würde, geschrieben, so würde ich nicht anstehen zu urtheilen: Diesen Brief hat ein Gentleman geschrieben.«
Sie täuschen sich aber in zweierlei Dingen.
Sie meinen, ich müsse auf Sie »böse sein«, wenn ich Charakter hätte. »Charakter« zeigt sich aber nicht in kleinlichem Nachtragen, sondern in großmüthigem Verzeihen und vor allem in Beherzigung des französischen Sprüchworts: »Alles verstehen heißt alles verzeihen .« – Ich bin eigentlich nie »böse« gegen Sie gestimmt gewesen, sondern habe nur Mitleid und Bedauern empfunden. Daß ich wie gewöhnlich auf den ersten Blick den Charakter jenes K. durchschaute, ist ja natürlich; daß Sie meine Warnung so sehr berechtigt finden mußten, freut mich wahrlich nicht, sondern betrübt mich tief. Es ist aber ein altes Porrecht der Frauen, oft den erbärmlichsten Wicht dem Besten vorzuziehen. »Schwachheit, dein Name ist Weib.«
Wenn Sie aber wähnen, daß ich jedes Interesse für Sie verloren hätte, so irren Sie sich leider sehr über die Tiefe der Empfindung, welche Sie mir eingeflößt haben. Stolze Naturen wie die meine, welche innerlich stets einsam sind, pflegen Liebe und Haß nicht täglich wie ein Hemd zu wechseln. Die landläufige Verliebtheit ist, bei Männern wenigstens, eine Sache, die mit Essen und Trinken auf einer Stufe steht. Solche »Liebe« ist Eitelkeit und Sinnlichkeit, wenn sie nicht Wahnsinn ist. Bei
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