Größenwahn
meiner großen Geringschätzung der weiblichen Natur habe ich das stets nur als Spiel und Sport betrachtet und behandelt. Bei Ihnen aber liegt die Sache anders. Ich glaube kaum, daß ich je wieder fähig bin, ähnlich selbstlose Gefühle für irgend ein weibliches Wesen zu hegen. Die Liebe hat ein sehr sicheres Warum, sie ist ein Naturtrieb. Ich zweifle daher nicht, daß Sie eine naturnothwendige Ergänzung meiner Natur geworden wären.
Doch das Leben ist rauh und erbarmungslos, und die Verhältnisse meist unüberwindlich, – wenn sie es auch im äußersten Nothfall für Menschen von meiner Energie niemals sind. Doch – geschehn ist geschehn und vorüber ist vorüber.
Doch werden Sie begreifen, daß nach solchen Erlebnissen ein völliges Vergessen unmöglich ist und daß ich, wann und wo ich Sie auch je im späteren Leben wiedersehen mag, Sie niemals ganz gleichgültig für mich sein werden, ebenso wie Sie nie meinen Namen lesen werden, ohne daß ein seltsames Erinnerungsgefühl Sie beschleicht.
Jedenfalls aber danke ich Ihnen herzlich für Ihren Brief, und danke Ihnen, daß Sie mir »größte Achtung im Herzen« bewahrt haben. Ich erwiedere diese Achtung und bleibe Ihr schweigender Freund, der Ihnen für alle Zukunft aufrichtige Theilnahme ohne alles Nebeninteresse heimlich bewahrt und Ihnen mehr Glück und Seelenfrieden wünscht, als Ihr Schicksal es bisher Ihnen bescheert hat.
Schon wollte Rother diesen Brief absenden – natürlich an die alte Adresse in der Gerichtsstraße –, als sein Blick zufällig auf das Couvert fiel, das er natürlich nach Erkennung der Handschrift sofort erbrochen hatte, ohne den Poststempel zu beachten. Jetzt fiel ihm dieser ins Auge: – Hamburg ! Was bedeutete das? Sie hatte sich dieses Kohlrauschs entledigt und ging nun dennoch nach Hamburg zurück?!
Ohne zu zögern, eilte er sofort zu Frau Lämmers.
Diese empfing ihn mit größter Verlegenheit.
Sie habe Herrn Rother aufgesucht, um ihm Mittheilung zu machen – obschon sie ihn ja kaum kenne, sei dies doch ihre Pflicht gewesen. Und nun grade mußte sie erfahren, daß er verreist sei!
Worum es sich handele? O ganz einfach. Erstlich wollte Kathi durchaus nicht dulden, daß Rother in Ungelegenheiten gebracht werde, und erklärte, dabei werde sie nie gegen ihn zeugen. Und dann, sobald sie unter den dringenden Umständen mit Kohlrausch wirklich Ernst machen wollte, habe sich dieser unter allerlei Vorwänden »glatt wie 'n Aal« zurückgezogen. Endlich sei es klar geworden, daß er im Grunde auch nur darauf spekulirt hatte, das schöne Mädchen herumzukriegen. Endlich in einer heftigen Scene, als sie ihm Vorwürfe machte, erklärte er brutal gradheraus, daß es ihm nicht einfallen werde, ein Mädel ohne einen Pfennig in der Tasche zu heirathen. In einer Aufwallung wahnsinniger Wuth hatte sie ihn darauf geohrfeigt, ihm die Thür gewiesen und einen heiligen Eid geschworen, sie wolle ihn niemals wiedersehn. – Stundenlang, erzählte Frau Lämmers, habe sie sich auf dem Sopha in Weinkrämpfen gewälzt und immer wieder gerufen: »Das ist die Strafe! O Rother, Rother!«
Daraufhin sei sie, die Wirthin, heimlich zu Rother gegangen. Als sie dann Kathi mittheilte, was sie gethan – worüber diese aufgefahren sei: »Ich sterbe vor Scham!« – habe diese, sobald sie erfuhr, Rother sei nach England gereist (also jedenfalls für lange), sich würdig gefaßt. Das freue sie. Er sei nun wenigstens erlöst und gerettet. Nie werde sie ihm mehr unter die Augen treten können.
Was aber nun! Wovon leben! Wieder die alte Geschichte, wie im vorigen Sommer! Einen ihrer alten Verehrer beglücken – ja, dazu war noch immer Zeit. Aber ehe sie das that, eher sterben!
Da führte ihr in einem Café der Zufall einen jungen eleganten Herrn in den Weg, mit dem sie in ein Gespräch kam. »Ja und was wollen Sie! In den hat sie sich verliebt! Und nun ist's obendrein ein sehr reicher junger Herr. Kurzum –«
»Kurzum! – Aha!« Es war Rother, als ob eine andre Stimme so dumpf aus ihm antworte. »Und da sind sie nun sozusagen auf der Hochzeitsreise?«
»Ja natürlich! Hier hätt' ich das Verhältniß nie geduldet und Kathi selbst wollte nicht – hier wäre sie ja doch leicht ausgespürt worden. Wohin sie sind, weiß ich nicht recht. Doch glaube ich –« Sie zögerte.
»Nur heraus mit der Sprache!«
»Ich hörte mal, wie er viel von Norwegen erzählte, wo er hin wollte. Das sei jetzt bei den Herrn Touristen so beliebt. Und sie ließ sich viel von ihm
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