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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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eine Art
horror vacui.
Hingegen »Redacteur« – wie anders wirkt dies Zeichen auf ihn ein! Das erinnert so an »feste Anstellung« und andere ersprießliche Dinge. Wie sollten die Redacteure daher in ihres Werthes durchbohrendem Gefühle nicht tief auf die Schreiber herabschauen, deren Manuscripte sie zum Druck befördern!
    Also eine neue Spezies – der Redacteur-Größenwahn ! dachte Krastinik.
     

III.
     
    Mitten in seiner Ungewißheit, ob er sich bezwingen oder noch weiter sich um Kathi kümmern solle, erhielt Rother einen langen Brief seines Münchener Freundes, des genialen Genremalers Knorrer. Der Brief lautete:
     
    »Lieber Kamerad!
     
    Ich sitze hier in der Nähe von Meran, in Ulten. – Bis zum Gardasee war ich in den Früh-Frühling Südtirols hineingebummelt. Hei, Früh-Frühling, sanfte Himmelstochter! Wie überall ein neues Wesen aus Allem weht und flüstert! Die Stelle am Bache, wo das Vergißmeinnicht deutungsvoll uns mahnen soll, wird erst geahnt. Froh erstaunt schleicht man hin durchs Brautgeheimniß der Natur.
    Verzeih diesen lyrischen Schwulst! Aber hier wird man, hol mich' der Teufel,
par ordre de Mufti
ein poetischer Duselfritze. 's ist doch hier alles wie sonstwo auch. Das Weibervolk (›aha, da kommt's!‹ hör' ich Dich lachen), das Weibervolk, meine spezielle ägyptische Plage, ist doch hier dasselbe wie überall.
    Ein großes Mutterschaf ohne andre Bestimmung, als – –, das dabei von ätherischen Gefühlen blökt! Meine Wirthin geilt mich an. Ihr Mann sei u.s.w. Die Natur ist eine infame Kupplerin. Man gruselt sich heimlich vor der ganzen Schmutzerei. O ich fühle es: Keuschheit allein macht stark. Und diese stumpfsinnige Selbstverständlichkeit, womit diese Cochonnerien sich in Scene setzen! Meine Aufwärterin hier, ein äußerlich anständiges Mädchen, nahm einen Zehn-Gulden-Schein verständnißinnig entgegen und besucht mich Nachts. Nachher gestand sie mir, sie nahe dem Kap der guten Hoffnung, und da komme es auf Einen mehr oder weniger nicht an. Jaja, das sind so unsre kleinen Ehebrüche!
    Pfui, Pfui darüber! Und neben uns klebrigen Erdwürmern diese leblose Natur in ihrer vornehmen Ruhe, so keusch, so ernst, so stolz!
    Von Mori fuhr ich nach Riva an den Gardasee – wie wurde mir da!
    Diese grauen Kalkfelsen, die senkrecht in die wunderbare Bläue des Seespiegels hineinstürzen! Diese Schneefäden, sich von den Bergen, die noch wie spitze Zuckerhüte herübernicken, in die Rebenterrassen hineinschlängelnd! Rings das feine Silbergrau der zierlichen Olivenblätter, das helle Grün der Maulbeerbäume, das frische Weinlaub, der saftig derbe Ton des Citronenbaumes. Und auch unser heißgeliebtes Feigenblatt hängt überall in seiner fünfzackigen Helle, wie ein Panier der Unnatur, eine Selbstironie der Natur. Das Alles von einem durchsichtigen silbrigen Schleier umsponnen, der sich über See, Bergkette, Maisfelder, Villen und Bastionen schlingt. Riva's kleine Festungswerke bilden die letzte Grenzmark Oesterreichs, der Dampfer auf dem See bedeutet schon italienischen Boden.
    Ach, man schwelgt in malerischen Motiven. Mein Skizzenbuch füllte sich, ich male jetzt hier in Ulten nach meiner dortigen Studie den Ponale-Fall am Gardasee.
    Weiße Gartenmauern. Feurig glühende Rosen. Moosbewachsene Mühlen. Dunkeläugige Bübchen und Mädel in entzückend schmutzigen Röckchen, die uns eine Bastonada auf die Fußsohlen versprechen, falls wir ihnen nicht einen Soldo verabreichen. Mächtige Stier-Fuhrwerke, Schiffe im Hafen, alte bröckelnde Thürme und Thore. All das hart an die Felsen angeklext, deren großartige Linien der Schöpfungsmeister so ›klassisch‹ componirte. Hier und da in die Landschaft ein paar spitze Cypressen mit ihren dunkeln pyramidenförmigen Laubkegeln oder ein Häuschen mit rothem Dach oder ein zerfallenes Gemäuer als ornamentale Sprengsel hineingesetzt. Wirkt wahrhaftig, als habe die Natur hier mal im größten Stil der Renaissance (denk' an den landschaftlichen Hintergrund aus Cadore's Gebirgen in Tizian's Gemälden!) ein monumentales Landschaftsbild kunstvoll angelegt. Welcher pastose Farbenvortrag, wie markig auf die Aether-Leinwand des Horizonts aufgetragen, und dann wieder wie fein mit dünnem Pinselvortrag abgetönt! Aber so gar nicht Impressionalistisch, weiß der Teufel! Dicke Massen Bleiweiß mit dem Spachtel nebeneinander kleben und dann unter einer falsch gewertheten Perspektive der Lichtreflexe mit Finger und Pinsel dran herumschmieren – das

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