Größenwahn
geboten!« bemerkte der Höhnische, mit schmunzelnder Befriedigung, daß man selbst diesem Heros so was bieten konnte!
»Lachen Sie nicht!« rief Wolffert jedoch mit herrischer Stimme, roth vor Zorn. »Ich werde diesen vulgären Burschen später zurecht setzten! Bei Philippi sehen wir uns wieder!«
»Na gut ›Impertinenter Flegel!‹ sagt er also –«
»Sie brauchen es nicht wiederholen!«
»No, nee! Entschuldigen Sie mir – hm! hm! Imper – das war stark! ›Ihren Namen!‹ sagt er. Sagen Sie: ›Mein Name ist Wolffert! Ich bin sonst ein sehr höflicher Mensch! Aber, wenn ich mit Grobianen –‹ hehehe! Das war frech. ›Das wird sich finden!‹ schreit er. Und es fand sich, daß Sie sich im Career fanden! Na, frech war es doch!«
»Danke für diese Erinnerungen einer schönen Seele und besonders Ihre erläuternden Bemerkungen! Adieu, lieber Herr! Muh i denn, muß i denn zum Städtle hinaus und Du mein Schatz bleibst hier? Hat mich sehr gefreut, Ihre langjährige Bekanntschaft gemacht zu haben!«
»Ileichfalls! Ileichfalls, Herr Wolffert! Erhalten Sie mich Ihr schätzbares Wohlwollen! – Ihr Diener, meine Herrn!«
»Empfangen Sie die Segenswünsche eines kindlichen Herzens!« Leonhart klopfte ihm gravitätisch auf die Schultern, »Lieber Baum, wachsen und blühen Sie und mögen wir – wer von uns beiden wünscht's am innigsten – uns nimmer wiedersehn!« Er verschwand ohne Trinkgeld.
»Impfpudtanz!« (Sollte heißen: Impudenz), murmelte der verletzte Kastellan. »Redensarten hat er immer, die man nicht braucht, aber nie einen Dreier!« Der Träumerische gab eine Mark und sagte simpel Adieu. Der Pedell, welcher den Wert jedes Menschen richtig taxirte, dankte ihm kaum. Nur Unverschämtheit flößt den niederen Ständen Achtung ein.
Die Drei schritten rasch, um sich warm zu laufen, Arm in Arm vorwärts.
»Die langweilige Geschichte wäre also endlich vorüber!« hob Leonhart an. »Nun steht noch der Einjährige wie ein Gespenst vor meinem ahnenden Geist. Der Schuljunge ist todt, todt, todt!« Das »todt« tirilirte er mit einem Juchzer in die Luft hinaus.
»Pah, was sind Unteroffiziere und drei Millionen Donnerwetter, multiplizirt mit einer Erbswurst,« fiel der gewaltige Wolffert mit seiner üblichen gezierten Genie-Pupperei ein, »im Vergleich zu den Impertinenzen dieser Schulmeister! – Juchhe, ich bin so hungrig, als wäre heut nicht der feierlichste Moment meines Erdenwallens. Erst gezüchtet und auf die Lebensweide geschickt, wie Hämmel mit Zeugniß Strichen auf dem Rücken! Dann auf die Thierschau geschickt und hartgeritten beim Militär und wieder mit Zeugnissen aus dem Militärdienst entlassen! Dann mit Zeugnissen vor den Altar getrieben und dann selig verstorben und beerdigt – mit Zeugnissen!«
»Sehr gut.« Leonhart lachte laut und bitter auf. »Wieviel Papiergepäck ein Mann auf die Reise über'n Styx mit sich bringt! Wieviel ›Zeugnisse‹ man braucht, um ehrlich sterben zu können!«
Rother schwieg und lauschte nur entzückt auf die krankhaft sprühende Lustigkeit dieser phosphorescirenden Nichtse. Mit der gleichen widerlichen Affektation, an die er heut nur mit verächtlichem Lächeln zurückdenken konnte, feierten sie dann ihr Abschieds-Convivium, wobei natürlich Wolffert wieder als Präses und Matador strahlte. Sie hatten sich dann mit dem Versprechen getrennt, auch im späteren Leben (jeder von ihnen ging vorerst verschiedene Pfade: Wolffert als forscher Corpsstudent nach Heidelberg, Rother auf die Malerakademie nach Düsseldorf, Leonhart nach seiner Heimat in Quedlinburg am Harz) zusammenzuhalten. Wie es gewöhnlich bei solchen Versprechen geht, hielt es keiner. Anfangs hatte man noch ab und zu von einander hören lassen. Bald erlosch jedoch jede Verbindung. – Leonhart und Rother hatten sich erst spät in Berlin wiedergetroffen, beide mittlerweile bekannte Namen in ihrem Fach geworden. Wolffert war für sie ganz verschollen.
Sohn eines sehr reichen Mannes, des Kommerzienrats Wolffert, (Waffenfabrikant und fortschrittlicher Reichstagsabgeordneter), benutzte der bezaubernde Eugen natürlich diese natürlichen Vorteile, um vorerst das Leben zu genießen. Er lebte in Paris, London, Rom und tobte sich aus, ging dann nach Amerika. Nachher warf er sich auf naturwissenschaftliche Studien mit demselben Eifer, wie er früher Rudern, Schwimmen, Fechten, Reiten und ähnlichen Sport cultivirt hatte, und glaubte in der Chemie den Schlüssel zum Welträtsel entdeckt zu haben. Allein,
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