Größenwahn
verschmäht diese italienische Natur. Sie hat doch einen ganz besonderen antiken Charakter, diese sonnendurchgohrene Italia, einen gewissen altrömischen Faltenwurf ihrer Toga, den ihr Germania mit ihren Tannenzöpfen nicht nachmacht. Man merkt hier überall den Michelangelesken Formensinn, die klare Würde Rafael'scher Composition, die markig satte Farbentiefe der Venetianer.
Sogar die Weiber – – (›ah, da sind sie wieder!‹ lacht mein Freund Eduard, nicht?) – Da sah ich in Trient, eskortirt von einem schlangenäugigen Abbate (o wieviel Grandezza und Weltgeschichtlichkeit steckt in jedem italienischen Pfaffen!) eine fette Wildsau mit lüstern schmatzenden Lippen, aber doch einem großen Zug im Profil. Aber die Tochter – ah, diese ungesuchte Vornehmheit einer alten Race, einer uralten Cultur, im italienischen Typus! Diese versteckte schläfrige Glut, diese schwärmerische Inbrunst, diese göttliche Faulheit und glückliche Beschränktheit in den süßen Augen! – –
Die Tyrolerinnen sind rohe Töpferwaare dagegen. Da hast ein Liedl zum Fidibus-Anstecken!«
Das »goldne Dachl«.
Keusche Margaretha Maultasch,
Landesmutter und Regent,
Deines Innern Lücken stopfte
Nur ein ganzes Regiment.
Neidisch schaut Dein goldnes Dachl
Jede Jungfrau in Tyrol –
Liebevolles Gretchen Maultasch,
Warft, vielleicht nur ein Symbol!
Weißt, man kommt wahrhaftig hier in die Stimmung zur Dichteritis hinein – hier, wo die alten Minnesänger geweilt, wo immer noch ein Geigenstrich, stahlscharf wie von Volker's Fiedelbogen, über die Thäler hinzutönen scheint; hier wo Walter von der Vogelweide geboren, dem seine Heimathstadt Bozen endlich ein Denkmal gesetzt. Ich liebe Bozen. Ich liebe diesen Fruchtmarkt, diesen dunklen Wein in Krystallflaschen (die öl-verpichten Stroh-Amphoras in Wälschland sind freilich einem Künstlerauge anheimelnder), diese Mischung von echtem Risotto und Mehlknödelei – soll heißen: von Italienischem und Tyrolisch-Bajuvarischem. Ich liebe die bogigen schattenkühlen Arkaden der heißen Thalkessel-Stadt. Ich liebe den spitzen Thurm auf dem großen Platz, der sich in den Aether bohrt mit all den Spitzbogen und Schildereien mittelalterlichen Meißels, wenn der Mond an ihm vorbeischifft mit dem Wolkensegel. Wie reist er so schnell! Eben stand er noch links, nun steht er rechts vom Thurm. Wie, Närrchen? Nicht der Mond, wir selber reisen ja. Die Erde kreiste und uns alle riß er fort, der Sturm des tauben Weltgesetzes, während wir sicher zu ruhen wähnen beim Schöppchen Wein! Holla, Kamerad, es ist doch zum – zum metaphysisch werden. So spielt er mit uns Kegel, wahrhaftig, der große Unbekannte, der Welt-Regisseur, der die Coulissen verschiebt und die Aktschlüsse arrangirt und die Stichworte soufflirt!
Die Stichworte! Ja, da komm' ich nun auf eine tolle Geschichte. Den großen Männern gelten solche Rollen-Stichworte zum Auf- und Abtreten doch zumeist. Und da ist nun hier, wo ich heut grad sitze, in Ulten, ein solches Stichwort gefallen. 's ist eine seltsame Geschichte und ich will sie Dir erzählen. Weiß der Henker, die Sache klingt mir so plausibel und der Stoff ist so patent, daß ich in einer Frühlingslaune mal den Pinsel wegwarf und sie Dir ganz schriftstehlerig demonstriren werde. Vielleicht bringst den Krempel irgendwo an in eurem geschäftsmäßigen Berlin, wo man goldne Eier legt und gackert und bei jedem winzigen Ei ein Wesens macht, als müsse ein Phönix herauskriechen. Da hast meine Stümperei – lies sie halt als Kamerad und College als ein ulkiges G'spaß Deines handfesten Knorrer.
Man könnte mein Geschreibsel etwa überschreiben:
Der Jugendtraum eines großen Mannes.
Es war Mai in Ulten, diesem entlegenen Seitenthale Merans, wo der thauige Hauch der grünen Schluchten an die Nordalpen erinnert. Im »Mitterbad« zogen die Gäste ein, um die Glieder in dem vitriolischen Eisenwasser der berühmten Quelle zu erfrischen.
Der Mai und Südtirol – die zwei Dinge gehören zusammen. Die ersten rothen Pfirsichblüten flackern unter den duftwarmen Bogengängen der Gärten auf, die Wiesen gleißen in blendendem Smaragd, und die Schatzkammern König Laurins, den die Sage hier sucht, thun sich in den Nebengewölben auf.
Von allen Höhen donnerten Böllerschüsse, die sich im schläfrigen Echo der Thäler melodisch fortsetzten, aber die Holzhäuser erzittern machten. Glockenklänge durchschwammen die stille, heißbrütende Morgenluft. Von der Kirche her mahnten Orgel
Weitere Kostenlose Bücher