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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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ja das erste Erforderniß zum melancholischen Dänenprinzen – das Uebrige findet sich.
    »Ah, Ihre ›Oden am Strome der Zeit‹ empfing ich!« Der immer herablassende Heinrich schüttelte dem neuen Bruder in Apollo innig die Hand. »Werde mich demnächst mit Kraft und Nachdruck darüber äußern!« Sobald er diese Lieblingsphrase losließ, wußten Eingeweihte, daß er keine Zeile unter zwanzig Mark Pump-Gebühren schreiben werde – nie ohne dieses.
    »Jaja, er bezeugt darin sich und seinen näheren Freunden seine und ihre Erhabenheit, wuchtig aufstampfend in Pindarischen Metren!« lachte Leonhart. »Wie heißt doch gleich die Eingangs-Widmung?
     
    Laß mich hochauftönend im Odenschwung
    Rufen Heil uns Söhnen der Gottheit, Heil!
    Nieder mit Pfaffen, Tyrannen und Prosa! Hoch
    Verskunst und Tugend!
     
    Fahren Sie so fort, lieber Odensänger! – Apropos,« wandte er sich an den biedern Heinrich »ich habe Ihnen noch gar nicht gedankt für Ihren schönen Brief über mein Drama ›Nemesis‹. Sie werden's also wirklich nächstens ausführlich besprechen? Ach, ich kann Ihnen nicht sagen, wie es mich erfreut, daß grade Sie sich so günstig darüber aussprachen.«
    Hier räusperte sich Ambrosius Sagusch doch etwas bedenklich, Krastinik sah betreten aus und über Heinrichs bleiche Wange flog ein flüchtiges Roth. Eine boshafte Freude blitzte in Leonharts Auge und er fuhr unverdrossen fort:
    »Sehen Sie, das hat mich ergriffen, dieser ungekünstelte collegiale Zuruf: ›Ihr Drama hat einen gewaltigen Odem. Es ist in seiner Art, ich möchte sagen, vollkommen .‹
    Und Sie, lieber Haubitz, Sie machen ja Ausstellungen, aber Sie schließen doch ernst und ehrlich: ›Jedenfalls besitzen Sie eine elementare Dichterkraft.‹ Das war mein Urtheil stets und ist es noch heute! Dank, Dank! – Aber da klingelt ja unser Präsident zur Tagesordnung.. auf Wiedersehn!« Nachdem er diesen parthischen Pfeil abgeschossen, setzte sich Leonhart mit seinem eingeführten Gast behaglich nieder und bestellte eine Flasche gefälschten Rheinweins, da Edelmann in aller Eile aus seinen Vorsitzenden-Platz geeilt war, um der unheildrohenden Festnagelung des bösartigen Realisten zu entrinnen. Krastinik verlor jedoch den seltsamen Menschen nicht aus den Augen, an den ihn alsbald ein unerklärliches Interesse fesselte. Nach den Warnungen, die ihm zu Theil geworden, hatte er vermieden, ihn anzureden, was ihm freilich durch den kalten Gruß des hochmüthigen Dichters erleichtert wurde.
    Es wurde nun ein Vortrag des abwesenden Ehrenmitglieds Paulus Hartung, genannt »der Knüppelreformer«, verlesen. Derselbe war datirt: »Geschrieben am Jahrestag meines letzten Selbstmordversuches« und brach in der Mitte ab, »da der Autor plötzlich von einer Gemüthskrankheit ergriffen wurde« – eine traurige Mittheilung, welche jedoch die Anwesenden mit stoischer Ruhe entgegen nahmen, da ja Jeder von ihnen aus eigener Erfahrung den Rummel kannte.
    Paulus Hartung war augenscheinlich in Spanien reichbegütert und stolz will man den Spanier. Daher entwickelte er als Baumeister voll Lustschlössern eine Sicherheit, als sei er zum Oberhofbaurath der hochlöblichen Vorsehung bestallt. Kommen, hören, sehen und staunen! Das Theater müsse vorerst durch Niederreißung sämmtlicher Kunstbuden gereinigt werden. Sodann sei Abschaffung der Coulissen nöthig und ein Orchester voll Posaunenbläsern habe als Chor im antiken Sinne mit nägelbeschlagenen Kothurnsocken zu beiden Seiten des Podiums aufzumarschiren. Ferner verlangte der Knüppelreformer ein neues klassisches Reportoir, dessen eisernen Bestand die Komödien von Lenz und Klinger sowie »Die Kindsmörderin« voll Leopold Wagner zu bilden hätten. Nur so, der lästigen Concurrenz fremder Götzen wie des Engländers Shakespeare entledigt, werde das »Jüngste Deutschland« seine hohen Ziele einer Theaterreform im Sinne einer wahren Volksbühne erreichen und vor allem seine eignen Stücke zur Aufführung bringen, wobei er besonders auf das allbekannte herrliche Blutschande-Trauerspiel unseres Rafael Haubitz »Der Würgeengel« hinweise.
    Lebhafter Beifall lohnte den gediegenen Vortrag. Nur Leonhart hatte sich wenig taktvoll benommen und stets mit der Hand schmunzelnd über seinen Schnurrbart gestrichen, als verberge er mühsam seine Heiterkeit. Auch Lämmerschreyer profitirte nicht viel – seine ganze Dichterseele wandte sich der homerischen Begierde des Trankes und der Speise zu, während er zwischen dem Kauen einige

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