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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Broschüren plante, unter dem Titel: »Die idealen Waffenbrüder.« Darin wurde ein süddeutscher Graf, der außer mehreren Millionen auch ein didaktisches Talent besaß, als Genie gepriesen; andere Leute hingegen, deren Hand zu fest am Federhalter klebte, um »offen« zu sein, mit gebührender Verachtung bestraft. Man hätte diese Waffenbrüder sozusagen zu Fechtmeistern promoviren können, wegen unerschöpflichen Reichthums an allerlei Finten.
    So »fochten« sie denn rüstig weiter als wackre Handwerksburschen der parnassischen Heerstraße und erwarben sich den ehrlich verdienten Beinamen: »Die ungeschundenen Raubritter.«
    Wie gesagt, begrüßte Edelmann einen neuen Priester des Idealismus mit wahrer Inbrunst und bedurfte nach dem Titel »Graf« keines Beweises mehr für die Bedeutendheit desselben. Er sah's ihm gleichsam an der Tasche an.
    Da Krastinik den Wunsch aussprach, auch den Musagetes Rafael kennen zu lernen, so wurde verabredet, daß ihn Edelmann in den berühmten Verein » Drauf « führen solle, wo als Vorsitzender und Vice-Vorsitzender die beiden idealen Waffenbrüder fungirten.
    So sah denn der Neophyt der litterarischen Mysterien den Messias der Zukunftspoesie dort leibhaftig.
    Dieser Gott erkor als sterbliche Hülle die Gestalt eines bleichen Jünglings mit langwallender schwarzer Mähne, Spitzbärtchen und Kneifer. Er litt an permanentem Stockschnupfen und stotterte ein wenig; dabei lag im Tonfall seiner Stimme eine undefinirbare Arroganz. Sein Roman »Die neuen Riesen« in sechs Bänden befand sich seit beiläufig sechs Jahren unter der Presse und tauchte regelmäßig als mystischer Lockvogel auf, wenn ein neuer bedeutsamer Pump der beiden Waffenbrüder inscenirt werden sollte. Sie versandten dann neben den Privatbriefen, welche das Erscheinen dieses Meisterwerks nebst dem Dantesken Epos »Lied der Völkermuse« (»Mölkerfusel« hieß dies ungeborene Riesenwerk im Privatjargon der litterarischen Kreise) ankündigten, noch ein Plakat:
     
    » Demnächst erscheint :
    Kritische Schneidemühle.
    Herausgegeben von Heinrich Edelmann und
    Rafael Haubitz .«
     
    Zugleich erbaten sie dabei Einsendung sämmtlicher Werke des Autors »behufs eingehender Würdigung« sowie von Manuscripten aus der »geschätzten Feder« des erkorenen Opfers. Besonders das Manuscript-Anhäufen gehörte in das System der Waffenbrüder als eine Art Strebepfeiler des Ganzen. Sie wußten, daß der Autor um sein Manuscript bangt, wie eine Henne um ihr Küchlein, und gerne ein Darlehn sendet, um wenigstens sein »verlegtes« Manuscript zurückzukaufen.
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    Rafael empfing den Grafen sehr gnädig und beehrte ihn mit huldvollem Handdruck, als Heinrich ihm mit verschwimmenden Augen, indem er gerührt seinen Kneifer putzte, einen neuen edeln Kämpen des Idealismus vorstellte. »Jaja, bewahren wir uns den I-I–Idealismus!« geruhte er zu stottern »darin liegt Alles. Die Phi–Philister haben den idealen Sinn schmählich ver–ä–loren. Nicht aber wir, die deutsche Ju–Jugend. – Sehen Sie, lieber Krastinik – Sie nennen mich doch einfach Haubitz? ich bitte darum – sehn Sie unsern Verein › Drauf ‹! Kommen Sie häufig her! Aus ihm wird dereinst der große Dichter der Zeit hervorgehn. Wir beginnen damit, unsre Begriffe zu läutern, ehe das Schaffen anhebt.«
    Das sei sehr löblich, bekräftigte Krastinik trocken. Mittlerweile sah er sich die Garde du Corps an, die, um die beiden Reform-Messiasse gepaart, daselbst tagte. »Drauf«! Wahrhaftig, das schienen ordentliche Draufgänger, unter Umständen auch Durchgänger. Manche sahen so pfiffig aus, daß man ihnen den geriebensten Pump-Idealismus schon zutrauen mochte. Andre wieder bewahrten noch ein kindliches Wesen und schienen vom Rasirmesser der Erfahrung noch verschont, obschon sie krampfhaft ihr keimendes Bärtchen zupften. Man hatte da auch einen gewissen Victor Hugo, oder Carlyle
redivivus,
einen Sagus des Nordens mit völlig verwildertem Urwald-Bart und titanischem Haarwuchs. Sein breiter Turner-Hemdkragen war noch unübertüncht von Europens Höflichkeit und schien bei der letzten Sintfluth zum letzten Mal in der Wäsche gewesen. Übrigens trug er bei der größten Kälte einen Turneranzug aus Drillich; darunter freilich Jägersches Woll-Regime, so daß es ihm nichts schaden konnte. Doch brauchte das ja Niemand zu wissen: die wunderbare Abhärtung des Sagus

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