Größenwahn
peinlich über alle Maßen. Hervorheben aber möchte ich die kühne Frechheit, die fast aus Irrenhaus streift, mit welcher Herr Schmoller andere anklagt, wenn er dieselben schändlich mißhandelt hat, und noch den moralisch Entrüsteten spielt.
»Aus meinen Erfahrungen würde ich daher folgende Charakteristik des großen socialen Romanziers zu liefern haben.
Er war wie ein Weib. Je mehr man ihn ›poussirte‹, desto patziger und innerlich gleichgültiger wurde er. Setzte er seinen Cylinder ab und stülpte einen Kalabreser auf, so veränderte sich gleichsam seine ganze äußere Erscheinung. Er sah dann viel bedeutender und zugleich gefährlicher aus. Zaghafte Naturen mochten ihm dann wohl ungern allein im Walde begegnen. Man traute ihm zu, daß er seinem besten Freund plötzlich einen Dolch in die Nippen bohren könne mit dem Ausruf: ›Die Börse oder's Leben!‹
Es harmonirte damit, daß er immer großspurig darauf hinwies, wie Leute, die von christlicher Liebe schwatzten, nichts thäten, zumal für einen Mann wie Ihn, und in Wahrheit in der Welt nur der rohe manchesterliche Grundsatz herrsche: ›Stirb Du, damit ich lebe!‹ Nun, er mußte es ja wissen, da dies sicherlich sein heimliches Prinzip sein mochte.
In seiner schwarzen Seele spiegelten sich alle Menschen pechrabenschwarz. Denn die Welt ist nur ein Spiegel: Was hereinschaut, schaut heraus. In Folge dessen brachte er das Kunststück fertig, sich in einer Welt von Schurken, die er sich ausmalte, als verfolgter Biedermann zu fühlen. Diese Schwäche und Beschränktheit des Menschen beschränkte auch seine Begabung. Wo er wild, trotzig, grimmig und vor allem, wo er boshaft die Feder schwang, war er groß. Dann brach eine elementare Urgewalt in seinen Schöpfungen hervor. Wo er hingegen pausbäckigen Humor pflegen wollte, wirkte er unbedeutend; wo er gar in gerührter Menschenfreundlichkeit schwelgte, wirkte er theils läppisch theils für den tieferen Beobachter widerlich durch verlogene Sentimentalität.
Diese mittelmäßigen Mißgeburten hielt er dann natürlich für seine besten Erzeugnisse, und die unreife Presse, welche seine wirklich bedeutenden Bücher weder las noch verstand, ermuthigte ihn noch in diesem Irrwahn. Man munterte ihn auf, sich zum Idealismus emporzuranken und die Bahnen des greulichen Zola zu fliehen.
Ein Virtuose der Undankbarkeit, hatte er alle Menschen, die es gut mit ihm gemeint, in einer Weise vor den Kopf gestoßen, die man nicht verzeiht, weil sie nicht plumper Rohheit, sondern einer allgemeinen Charaktergemeinheit entspringt. Wohlthat wurde ihm zur Beleidigung. Er fühlte geradezu das Bedürfniß, sich an Leuten, die ihm wohlgethan, zu rächen – dafür zu rächen, daß ihn denselben gegenüber die Empfindung einer Verpflichtung drückte, die er doch nicht einlösen wollte. Hatte ihm ein Verleger ein übermäßig hohes Honorar bezahlt, so erklärte er steif und fest, der Mann habe ihn betrogen, und carrikirte ihn in seinem nächsten Roman. Hatte ein College aus uneigennützigen Gründen ihn gefördert, so munkelte er, dahinter stecke eine listige tiefverborgene Schurkerei. Lobte ihn Jemand sehr stark, so klammerte er sich an irgend ein Wörtchen, das ihm mißfiel, und drohte mit öffentlicher Beschimpfung oder gerichtlicher Beleidigungsklage. Und dies Alles passirte nicht einmal, sondern hundertmal in verschiedensten Variationen. Er war geradezu sprichwörtlich geworden, so daß sich Jeder hütete, mit ihm zu verkehren, mit ihm zu verhandeln und über ihn zu schreiben.
Das Alles aber wäre zu ertragen gewesen, wenigstens für aufrichtige Bewunderer seiner phänomenalen Beobachtungsgabe, wenn nicht obendrein mit der perfidesten Verlogenheit verbunden. Er brachte es fertig, Leuten seinen ewigen Dank schriftlich zu versichern und womöglich am selben Tage in öffentlicher Kneipe dieselben niederträchtig zu verleumden. Daher cursirten denn über ihn Briefe früherer Freunde, wo von fauliger Corruption und gemeiner Bauernfängerei die Rede war. Er log wie gedruckt, erfand Gerüchte, die ihm beliebten, und wußte von Jedermann irgend ein schauerliches Geheimniß. Seine nervöse Brutalität siegte manchmal über seine Falschheit und dann brach er plötzlich unvermuthet Krakehle vom Zaun – sobald der Betreffende ihm aber energisch entgegentrat, wich er feige zurück. Ebenso suchte er, sobald ihn die Umstände irgendwie dazu zwangen, sich wieder an die Leute anzudrängen, mit denen er gerempelt hatte. Er that dies aber auf eine
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