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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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höchst seltsame Manier, indem er versteckte oder offene Drohungen einfließen ließ, welche in solchem Fall mühelos als Erpressung gedeutet werden konnten.
    Wenn man aber alledem gegenüber sein fabelhaftes Moralgefühl und seinen Brustton der Ueberzeugung erwog, so fiel einem die bekannte Scene aus dem Drama ›L'Etrangère‹ von Dumas ein, wo der Yankee plötzlich ruhig dem Herzog bemerkt: ›Nach allem, was Sie mir da vertrauensvoll mittheilen, muß ich schließen, daß Sie ein Schurke sind. Und das wunderbarste dabei bleibt, daß Ihnen das noch Niemand gesagt zu haben scheint!!‹«
    Leonhart hatte in gleichmäßig eisigruhigem Ton diese kaltblütigen Degenstiche verabreicht, während die Züge des Delinquenten, der die Prozedur über sich ergehen lassen mußte, sich mehr und mehr verzerrten. Seine Hände zitterten, seine Gesichtsfarbe spielte ins Aschgraue – – jetzt sprang er plötzlich mit einem unartikulirten Wuthschrei auf und griff mit der gespreizten Hand krampfhaft in die Luft. War es Zufall, war es bewußte Absicht, – seine Finger umkrallten den Griff des Brotmessers, das im Brotkorbe auf dem Tische lag. Wie von dämonischem Instinkt elektrisch durchzuckt, hob er es hoch, die funkelnde Spitze richtete sich schwirrend gegen Leonhart, noch ein Moment – –
    »Setz Dich!« sagte der Bedrohte mit lauter Stimme in strengem befehlendem Ton. Er blieb sitzen, aber sein Gesicht nahm einen furchtbaren Ausdruck an. Sein blaugraues Auge sprühte geradezu Feuer, seine Stirnfalte über der Nasenwurzel trat wie mit dem Messer geschnitten scharf hervor. Wenn zwei Welten in dieser Physiognomie lagen: ein weicher Gemüthsmensch und ein kaltberechnender Mann der That, so verschwand jetzt gänzlich der Zug wohlwollender beobachtender Kraft und ein ungebändigter, zerstörungswilder Despotengrimm straffte seine Züge.
    Langsam stockend, zitterte Schmollers Arm in der Luft; seine Finger lösten sich, als ob der unheilverkündende Blick des Gegners ihnen die Spannkraft aus den Sehnen sauge – klirrend fiel das Messer zu Boden. Wie mechanisch machte er einige Schritte vor- und rückwärts mit schlürfendem Tritt, dann sank er auf seinen Stuhl mit einem dumpfen Knurren.
    So schleicht der Tiger, der zum jungen Löwen in den Käfig gesperrt, mit unheimlichem Fauchen und knurrendem Heulen um diesen her, als wolle er ihn von hinten anfallen, und verkriecht sich, erstickt von ohnmächtiger Wuth, in die Ecke, sobald der gutmüthige Löwenblick sich auf ihn richtet. Der Zuschauer begreift es kaum, worin die siegessichere Ueberlegenheit des kaum flüggen Löwenbengels besteht, denn der schreckliche Tiger scheint ihm an Stärke weit überlegen. Und doch reißt der Löwe bei der Fütterung die ersten Stücke an sich und scheucht das hungrige Ungeheuer in unfreiwillige Geduld zurück. Ist's ein Naturinstinkt, der den König der Thiere freiwillig anerkennt, so wie der Löwe selbst vor dem festen Blick eines Menschen, der keine Furcht verräth, sich ehrerbietig seitwärts trollt?
    Eine tiefe Pause trat ein. Ein Kellner, der sich neugierig gezeigt hatte, zog sich befriedigt zurück.
    »So muß es kommen,« flüsterte Leonhart nachdenklich. »Siehst Du, wie Deine Lippen zucken! Vom Größenwahn zum Verfolgungswahn und von da zum Verbrechen – das ist eine logische Stufenleiter.«
    »Ich – wollte – nicht –« murmelte Schmoller.
    »Schweig! Du wolltest es,« schnitt ihm Leonhart barsch das Wort im Munde ab. »Ich finde das auch ganz begreiflich, nachdem ich Dir die Wahrheit einmal so gründlich gesagt. Wer weiß, ob Du mir nicht noch mit Knüppel oder Pistole auflauerst, um Deinen wüthenden Haß an mir zu kühlen, weil ich Dir die Biedermannslarve herunterriß!«
    Schmoller schnappte ein paar Mal nach Luft, als ersticke ihn rasende Wuth. Dann lachte er heiser und gezwungen auf: »Pah, das Alles ist ja doch nur fauler Mumpitz! Du bist ein unreifer Narr und hast noch nicht ins Leben hineingespuckt.«
    »Ei! Da wir doch einmal bei der letzten Aussprache sind, – davon hast Du ja freilich keine Ahnung, daß Du mir eigentlich stets eine komische Figur gewesen bist mit Deinem drolligen Größenwahn prahlender Weltkenntniß. Was weißt Du denn überhaupt vom Leben, was hast Du von der Welt gesehn? Nichts. Das kleine Fleckchen Berliner Lebens in unteren und mittleren Schichten! Das spricht ja gerade für Deine große Begabung, daß Du so glänzend schilderst trotz Deiner geringen Lebenserfahrung!«
    Schmoller fuchtelte wie außer

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