Größenwahn
Blatte eine rührende Aufmerksamkeit. Dabei kam er dann bald auf sein berühmtes Steckenpferd: Seine unvergleichlichen Honorare! 10,000 Mark für sein neues Buch – das ging ihm nur so vom Munde. Dann berichtete er auch mit liebevoller Detaillirung, daß seine Braut 50,000 Mark besitze und erkundigte sich, wo er 30,000 Mark unterbringen könne.
›Her damit! Bei uns!‹ schrie mein Chef, dem das Wasser im Mund zusammenlief: Der Köder war selbst für seine Schmoller-Kenntnisse zuviel.
Darauf hatte Schmoller nur gewartet. Er ließ vernehmen, daß sich das hören lasse, und versprach bereitwillig all seine Güter im Monde.
Nun hatte er Anker gefaßt. Mir gegenüber stocherte er, wie ein so bedeutender Schriftsteller wie ich sich überhaupt zum ›Redacteur‹ degradiren könne. Ihm könne man Berge bieten! Und mein Chef schimpfe über mich – o! Das sei überhaupt ein Kerl – na!
Zu Jenem äußerte er dann: Wie er solch einen Kerl wie mich überhaupt dulden könne! Und der schimpfe über ihn – o!
In Folge dessen erlebte er denn das Gaudium, daß mein Chef und ich bei einem seiner gewöhnlichen liebenswürdigen Besuche uns gegenseitig in die Haare geriethen. Da verabschiedete er sich schleunig, worauf wir Andern uns natürlich versöhnten, sintemal die Aussprache ergab, daß Schmoller uns aneinandergehetzt. Doch schien ihm bald meine Freundschaft irgendwie werthvoller zu sein, als die der andern – kurz, er attachirte sich gewaltig an mich.
Ich muß nun, um Schmollers Eigenart zu würdigen, Folgendes bemerken: Seine Grobheit bleibt Schmoller's gefährlichste Waffe. Denn eine angeborne Thorheit der menschlichen Natur liegt in dem Wahn: wer grob auftrete, sei darum auch ohne Falsch . ›Lächeln, lächeln, immer lächeln und doch ein Schurke sein!‹ heißt es im Hamlet. Und dennoch hat der größte Herzenskündiger seinen Richard III. je nach Bedarf grob und zänkisch ins Gesicht, oder aber biderb schmeichelnd dargestellt. ›Sie thun mir unrecht und ich will's nicht dulden,‹ schimpft der polternde Biedermann. Und so –«
Er unterbrach sich. Jener erhob die Hand wie zum Schlage. Dann packte er plötzlich Leonhart leicht an der Brust zwischen den Rockknöpfen, der ihn jedoch im gleichen Augenblick unsanft abschüttelte. Schmoller beherrschte sich mühsam und warf ruhig hin: »Fahre so fort! Ich fange an, Dich zu achten.« Doch wiegte er wehmüthig das Haupt und flüsterte mit umflorter Stimme: »Kleiner Kerl!«
Aus Leonharts Auge brach ein scharfer greller Strahl, wie von inneren Blitzen entzündet. Er bohrte sich dem lauernden Brillen-Blick des Andern entgegen, der wie das scheue Spähen ertappter Neugier verlegen auswich, als könne er sich schwer dem Banne einer neuentdeckten Ueberlegenheit entziehn. Dann schlug er jedoch eine häßliche Lache auf:
»Eine wahrhaft Shakespearische Menschenkenntniß! Ich habe eine traurige Mittheilung zu machen, unter dem bekannten Siegel tiefster Verschwiegenheit – – Du brichst es doch hoffentlich?« Schmoller's Lippen umspielte jenes süßlich wollüstige Lächeln, welches der Hochgenuß über fremde Sünden stets seiner Nächstenliebe zu entpressen pflegte. »Leonhart ist verrückt geworden. Er war ja neulich geständig, daß er sich für einen angehenden Weltdichter halte. O Gott, wie jroß ist dein Thiergarten!«
Die röthliche Löwenmähne des Beleidigten, ebenso wie vorhin Schmoller's spitzer Katerschnurrbart, sträubte sich ordentlich vor Wuth.
»Nimmt Dich überhaupt noch Jemand Ernst? Du scheinst Dich immer noch nicht bessern zu wollen, Du richtiges kleines Kind. Wenn ich so wenig vom Leben wüßte wie Du –!«
Leonhart stieß ein unartikulirtes Fluch-Grunzen aus. Er weinte beinahe vor Zorn. Als Correspondent eines großen rheinischen Blattes hatte er Jahre lang in Paris und London gebummelt und sollte den schnöden Vorwurf der Unschuld über sich ergehen lassen? Schmoller ließ ihn jedoch nicht zu Worte kommen: »Nu aber bitte weiter im Text!«
»Du hast's gewollt, George Dandin!« In seiner maßlosen Empörung sprudelte jetzt der geknickte Transcendental-Realiste über alle Schranken weg. Seine absolute Gerechtigkeitsliebe ging unter in dem Sturzbad seiner nervösen Erregung. Wohlan! – Alles , was in meinen schwachen Kräften stand, bot ich auf, um ihm zu nützen, wo ich konnte. Dies belohnte er stets mit dreister Stichelei hinter dem Rücken, trotzdem seine Briefe von Versicherungen seiner Verehrung strotzten. Hier in die Details zu gehn, wäre
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